Pressekonferenz 21.1.2010, Prof. Dr. Manfred Neuberger, Ordinarius für Umwelthygiene, Leiter der Abt. für Präventivmedizin, Medizinische Universität Wien. 1090 Kinderspitalgasse 15.  <manfred.neuberger@meduniwien.ac.at>


Wann wird die Tabakpolitik medizinische Fakten zur Kenntnis nehmen?

Die Schweiz hebt 63,7% des Zigarettenpreises als Tabaksteuer ein und verpflichtet (Artikel 28 Absatz 2 c des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung) Hersteller und Importeure von Zigaretten zu einer Abgabe von 0,13 Rappen je Zigarette in einen Tabakpräventionsfonds. Es stehen so pro Einwohner 1,56 pro Jahr für die Tabakprävention zur Verfügung. Damit gelang es, in nur 4 Jahren die Raucherprävalenz bei Teenagern (14-19a) von 31% (2001) auf 25% zu senken. Davon rauchen nur 13% täglich.

In Österreich gelang es der Tabakindustrie, jeden vierten 15-Jährigen zum täglichen Raucher zu machen. Seit 2001/2 sind wir in Europa beim Raucheranteil der Teenager unangefochten auf Platz 1: Jede(r) dritte 15-Jährige raucht wöchentlich und nur die Hälfte hat im letzten Monat nicht geraucht. Das Einstiegsalter ist auf 11 Jahre gesunken.

Der Finanzminister scheint Tabaksteuern noch immer als Geschenk der Tabakindustrie zu betrachten, um den Staatshaushalt zu sanieren und den Tabakhandel zu fördern. Tatsächlich erwirtschaftet er damit ein jährliches Defizit von mindestens 511 Millionen Euro (noch ohne Berücksichtigung aller Schäden durch Passivrauchen und Produktivitätsverlusten bei Rauchern). Von über 60 Millionen € Tabaksteuern, die er allein von Minderjährigen jedes Jahr einnimmt, hat er bisher keinen Cent der Tabakprävention gewidmet.1

Der Gesundheitsminister evaluiert noch immer ein Tabakgesetz, das von der Medizinischen Universität Wien als “medizinisch und moralisch hoch problematisch” bezeichnet und dem ein Scheitern vorausgesagt wurde, nachdem die Kritik der Akademie der Wissenschaften und der Fachgesellschaften für Kinderheilkunde, Pneumologie, Kardiologie, Arbeitsmedizin, Hygiene und des Krebsforschungsinstitutes vernichtend ausfiel.2

Der in Österreich für den Jugendschutz zuständige Wirtschaftsminister und die verantwortliche Staatssekretärin scheinen noch zu überlegen, ob man den Jugendschutz auf dem Altar des Tabakkartells opfern oder dem Beispiel Westeuropas3 und Nordamerikas folgen soll. Längst sind die Tabakkonzerne Global Players geworden, die sogar die EU-Politik beeinflussen4, deren langer Arm aber vor allem in Österreich kräftig mitmischt.5 Darüber vergessen sogar die für den Fremdenverkehr zuständigen Stellen, dass unsere gesundheitsbewussten Gäste über kurz oder lang in rauchfreie Quartiere in Südtirol, Slowenien, Malta, etc. ausweichen werden. Im Facebook hat aber jetzt eine Initiative zu einem Volksbegehren aufgerufen und in 4 Wochen schon über 77.000 wahlberechtigte Unterstützer gefunden.


Für 2010 wünscht die Ärzteinitiative allen Menschen eine friedliche, soziale und saubere Umwelt, den Kranken Genesung, den Rauchern Befreiung von ihrer Abhängigkeit,den Nichtrauchern eine rauchfreie Atemluft und den Politikern ein Ohr für medizinisch – wissenschaftlich gesicherte Fakten und den Mut, sich gegen Lobbies durchzusetzen.

1Pock et al. 2010: Volkswirtschaftliche Effekte des Rauchens in Österreich und Einnahmen des Staates aus dem Zigarettenkonsum Minderjähriger. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 36.

2http://www.aerzteinitiative.at/TabGes08.html

3http://www.aerzteinitiative.at/BanEUwtschDKFZ10.pdf

4http://www.plosmedicine.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pmed.1000202

5http://www.aerzteinitiative.at/_Archiv_1.htm

Österrauch – Aschenbecher Europas Rückfragen: Tel. 01 4277 64710 Wien, 2010-01-21