Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu unserer Bürgerinitiative „Nichtraucherschutz
und Tabakprävention“ wurden in den vergangenen Wochen Stellungnahmen des
Wirtschafts- und des Gesundheitsministeriums eingeholt. Das
Wirtschaftsministerium hat "mangels Zuständigkeit" eine Stellungnahme
abgelehnt, obwohl es auch für den Jugendschutz zuständig ist. Das
Gesundheitsministerium hat bereits ausführlich geantwortet
(siehe http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/SBI/SBI_00078/fnameorig_276635.html).
Wir erlauben uns, einige Punkte kritisch
zu hinterfragen. Wir denken nicht, dass die derzeitige gesetzliche Situation
ausreichend ist. Sie ist weder fair noch entspricht sie dem Stand der
Wissenschaft.
1. Das BMG bestätigt:
„Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Passivrauchen zu Erkrankungs- und Todesfällen führt.“
Durch
Passivrauch sterben in Österreich, auch nach sehr konservativen Schätzungen,
jährlich hunderte Menschen vorzeitig. Dem Gesetzgeber ist das bewusst, er
verpflichtet Tabakhersteller mit dem folgendem Satz darauf hinzuweisen:
"Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden
zu.“
Tabakprodukte werden andererseits von Vertretern der Tabakindustrie und der
Gastronomie als legales Genussmittel bezeichnet und auch das Schreiben des
Ministeriums betont, „dass es sich bei Tabak um ein legales Produkt
handelt.“
Sind fremdverschuldete Todesfälle durch ein „Genussmittel“ überhaupt zu
rechtfertigen?
Auch Autos sind ein legales Produkt. Wozu berechtigt diese Legalität? Darf man
deshalb damit andere mutwillig schädigen oder töten? Es ist kritisch zu
hinterfragen, wie viele fremdverschuldete Todesfälle durch Industrie und
Straßenverkehr akzeptabel sind. Hier besteht aber zumindest eine
wirtschaftliche Notwendigkeit. Für ein Genuss- bzw. Suchtmittel besteht diese
Notwendigkeit nicht.
2. Im Schreiben wird
eingangs behauptet, dass „in Österreich Nichtrauchen als Norm eingeführt“ wurde
und ein „Paradigmenwechsel“ erfolgte. Das ist eine reine Wunschvorstellung. Dass in der
überwiegenden Mehrzahl
der Lokale
noch immer geraucht wird, kann jeder bei
einem einfachen Spaziergang problemlos selbst feststellen. Das Ministerium
sieht scheinbar kein großes Problem darin, denn weiter unten im Text heißt es: "Soweit
diesen Bestimmungen entsprechend Lokale in ländlichen Bereichen, die
Abendgastronomie sowie Diskotheken vollkommen abgetrennte Raucherräume führen,
ist aus rechtlicher Sicht nichts dagegen einzuwenden."
Wie viele Lokale in Österreich sind tatsächlich rauchfrei? Weshalb
wurde das nie evaluiert? Weshalb begnügte sich Minister Stöger bei seiner
Evaluation des Tabakgesetzes mit einer Erhebung der Zufriedenheit? Die umfangreichste
Liste
im Internet weist noch nicht mal 1.000 Lokale auf!
3. Wie im Schreiben
erwähnt fordert das Gesetz, dass „gewährleistet sein muss, dass der Rauch
nicht in die übrigen mit Rauchverbot belegten Bereiche dringt“. Es wurde
bereits nachgewiesen, dass Passivrauch so gut wie immer in die mit Rauchverbot belegten
Räume dringt und auch dort meist gesundheitsschädigende
Konzentrationen
erreicht.
Ist die im Gesetz vorgesehene Lösung, mit getrennten Raucher- und
Nichtraucherbereichen, dann überhaupt sinnvoll?
4. Sowohl internationale Fachzeitschriften wie nationale Medien berichteten
wiederholt, dass das Tabakgesetz weitgehend ignoriert wird. Im ländlichen
Bereich finden Sie viele Lokale, die noch nicht einmal eine
Eingangskennzeichnung haben. Nur selten ist der Hauptraum rauchfrei.
Zwischentüren zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen fehlen oder stehen meist
offen.
Das BMG meinte: „Es ist grundsätzlich im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob
es sich um ein Einzel- oder ein fortgesetztes Delikt handelt.“ Weiters ist sinngemäß
zu lesen, „dass keinerlei Anhaltspunkt gesehen werden kann, dass keine nennenswerten
Strafen bei Verstößen (…) ausgesprochen werden.“
Uns ist kein Fall bekannt, in dem ein
Verstoß eines Wirtes als Einzeldelikt gehandhabt wurde. Im Gegenteil, wir
erhielten Berichte, dass sich einzelne Verfahren über viele Monate oder sogar
über mehr als ein Jahr zogen. Die Strafhöhe liegt dann im Bereich von einigen hundert Euro, und wird
vom UVS oft reduziert. Da sich
Wirte durch eine illegale Raucherlaubnis einen unlauteren Wettbewerbsvorteil
verschaffen, hat sich diese Summe zwischenzeitlich längst rentiert.
Das BMG
schreibt weiter: „Nicht geleugnet kann werden, dass es in Einzelfällen auch
ressourcenbedingte Vollzugsdefizite gibt.“ und spricht davon, „dass es
immer einer gewissen Übergangsfrist braucht, um Änderungen (…) wirklich zu
verankern“. Wir erhielten Berichte, dass sich
einzelne Lokale auch dann nicht ans Gesetz hielten, nachdem
sie mehr als zehn Mal angezeigt wurden. Berichte über kreative Umgehungen des
Gesetzes fand man häufig in den Medien. Noch nicht mal Einkaufszentren halten sich zuverlässig
an das Gesetz. Hier von Einzelfällen zu sprechen,
ist schlicht beschönigend.
Weshalb wurde in den vergangenen Jahren die Einhaltung des Gesetzes nie
evaluiert? Das Gesundheitsministerium hätte damit ein unwiderlegbares
Argument für eine Verschärfung des Gesetzes.
5. Die Anzeige des Wirts durch den Gast ist mehr als problematisch. Denken Sie wirklich, dass man nach einer Anzeige in diesem Lokal noch gerne gesehen wird? Selbst Minister Stöger lehnt es ab, Wirte, die sich nicht ans Gesetz halten, zur Anzeige zu bringen. Schließlich wird man dann öffentlich als Blockwart oder Denunziant diffamiert. Kurioserweise sprachen sogar Personen, die maßgeblich an der Schaffung genau dieser Regelung beteiligt waren, wie Exministerin Kdolsky und der Obmann des Fachverbandes Gastronomie Helmut Hinterleitner von „Denunzianten“. Damit wird die wichtigste Möglichkeit, die das Gesetz vorsieht, Wirte zur Einhaltung des Gesetzes zu bewegen, konterkariert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man vielleicht sogar wollte, dass dieses Gesetz nicht funktioniert.
Welche Auswirkung sind zu erwarten, wenn bestimmte Gesetze scheinbar nicht eingehalten werden sollen, andere aber schon? Sollten auch andere Gesetze in einem derart hohen Ausmaß ignoriert werden dürfen?
6. Im Schreiben des
Gesundheitsministeriums findet man den Satz: „eine Stigmatisierung der
RaucherInnen wäre jedoch nicht sinnvoll, ja kontraproduktiv, und ist daher
abzulehnen.“
Raucher würden im Falle eines weitreichenden Rauchverbots weder
diskriminiert noch stigmatisiert noch bevormundet. Sie können weiterhin alle
Lokale aufsuchen und sie können weiterhin rauchen so viel sie möchten. Sie
dürfen lediglich dort nicht rauchen, wo sie andere in ihrer Freiheit
einschränken oder gefährden. So viel an Rücksichtnahme sollte eigentlich
selbstverständlich sein!
Weiter unten ist zu lesen: "Darüber hinaus sind Rauchverbote nur dann
wirklich umzusetzen, wenn sie auch auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung
stoßen".
Nichtraucher sind die Mehrheit. Welchen Vorteil hätte ein Nichtraucher durch
Passivrauch? Weshalb sollte man also als Nichtraucher ein Rauchverbot nicht
akzeptieren? Im Gegenteil, die Zahl der Personen, die durch Passivrauch in Ihrer
Lebensführung eingeschränkt wird, ist mindestens so groß, wie die Zahl der
Raucher. Lokale sind ein wesentlicher Bereich des sozialen Lebens: Für
Berufstätige, speziell für Pendler, haben sie eine Versorgungsfunktion. In Lokalen
finden wichtige Treffen wie Familienfeiern und Firmenbesprechungen statt. Man
trifft Freunde und kann sich unterhalten. Gesundheitsbewusste Nichtraucher, Familien
mit Kindern und Schwangere stehen vor der Entscheidung, entweder ein
Gesundheitsrisiko in Kauf zu nehmen oder auf den Besuch von Lokalen zu
verzichten. Chronisch Kranke (Lungen- und Herzkranke, Krebspatienten…) werden
durch Passivrauch erheblich gefährdet. Sie werden also vom Besuch der Lokale
ausgegrenzt.
Empfinden Sie dieses Gesetz wirklich als fair oder ist es Ausdruck einer
rücksichtslosen Gesellschaft? Ist das österreichische Tabakgesetz für
chronisch Kranke nicht bereits im rechtlichen Sinne diskriminierend? In allen
Ländern mit weitreichenden Rauchverboten ist die Akzeptanz hoch. Weshalb sollte
das in Österreich anders sein?
7. Im Schreiben des
Ministeriums wird auf die Schutzmaßnahmen von Minderjährigen hingewiesen: „Mindestalter
von 16 Jahren (…) Dieses würde in der Regel bei der Abgabe der Tabakwaren in
der Tabaktrafik kontrolliert. Für Zigarettenautomaten bestehen seit 1.1.2007
Zugangsbeschränkungen“
Wie ebenfalls angeführt wird, rauchen in Österreich mehr als ein Viertel der 15-Jährigen (etwa 20.000 Minderjährige
beginnen damit jährlich!). Kinder und Jugendliche kommen also ganz
offensichtlich problemlos an Zigaretten heran. Die überwiegende Mehrheit
der Raucher beginnt mit dem Rauchen in einem Alter, in dem sie die Folgen der
Sucht noch nicht mal annähernd abschätzen können.
Weshalb lässt man in Österreich Kinder und Jugendliche schutzlos in eine
Suchtfalle tappen?
· Kinder und Jugendliche bezahlen hohe Summen an Tabaksteuer, obwohl sie eigentlich nicht rauchen dürften. Wie hoch sind im Vergleich dazu die Ausgaben für Tabakprävention? Die genannten Bewusstseinskampagnen liegen bereits Jahre zurück. Ob sie ihr Ziel erreichten, wurde in den Medien bezweifelt. Entgegen internationaler Empfehlungen richteten sich die Kampagnen nicht an die Gesamtbevölkerung und ihre Botschaften blieben unglaubwürdig. Die Ausgaben für Tabakprävention sind im Vergleich zu den Einnahmen beschämend gering. Erst vor wenigen Tagen hatte man kein Problem damit, Geld für den Solidaritätsfonds der Trafikanten zu beschaffen. Weshalb gibt es keine Zweckbindung der Tabaksteuer für Tabakprävention?
· Andere Länder erlauben das Rauchen erst ab 18, dort sank die Zahl der jugendlichen Raucher bereits stark. Im Schreiben wurde auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend verwiesen. Was konkret hindert die verschiedenen Ministerien, gemeinsam an einem Gesetz zu arbeiten?
· Ab welchem Alter wissen Jugendliche, was Wörter wie Sucht, Krebs, Herzinfarkt, Gangrän oder Schlaganfall bedeuten? Weshalb werden also keine eindeutigen Bilder auf Zigarettenpäckchen gedruckt, wie von der EU empfohlen?
· Die Sicherheitsvorkehrungen in Zigarettenautomaten können problemlos umgangen werden. Die Zahl der jugendlichen Raucher beweist es. In anderen Ländern sind sie deshalb verboten. Weshalb nicht in Österreich?
·
Im
Schreiben des Ministeriums wird darauf verwiesen, dass in „Schulen ein
Rauchverbot ohne Ausnahmen“ gilt. Das Rauchverbot bezieht sich lediglich
auf „Räume“ für Unterrichts- und Fortbildungszwecke. Viele Schulen erlauben das
Rauchen im Außenbereich (Schulhof), aber gerade dort ist der Gruppendruck für
Minderjährige besonders groß.
8. Weiters schreibt das
BMG: „Der umschlossene private Bereich (Wohnung, Auto, etc.) ist dem
gegenüber nicht Gegenstand gesetzlicher Rauchverbote. Diese würden nicht nur in
einem Spannungsverhältnis mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des
Privatlebens stehen, sondern wären überdies kaum einer effektiven öffentlichen
Kontrolle zugänglich.“
Man darf also überall neben Kindern rauchen und mit Kindern völlig verrauchte
Lokale aufsuchen. Passivrauch ist bei Kindern eine Hauptursache für den plötzlichen Kindstod, Asthma,
Atemwegsinfektionen etc. Im Harn von passivrauchenden Kindern finden sich
tabakspezifische Karzinogene sowie Abbauprodukte des Nikotins (Cotinin).
Ärzte sind beruflich verpflichtet, die Ursache einer Erkrankung festzustellen.
Der Privatbereich ist durch den Nachweis einer Passivrauchbelastung nicht mehr
betroffen, als durch den Nachweis einer anderen Krankheitsursache. Jede andere nachweisbare
Kindesmisshandlung würde hart bestraft werden. Mit welcher Begründung
sollte das bei Passivrauch anders sein? Weshalb schützt der Staat noch nicht
einmal die Schwächsten vor Tabakrauch?
Das Handyverbot im Auto wird problemlos
überwacht. Weshalb sollte ein Rauchverbot im Auto nicht „einer
effektiven öffentlichen Kontrolle zugänglich“ sein?
Man darf an Kinderspielplätzen rauchen, obwohl verschluckte
Zigarettenstummel für Kleinkinder gefährlich werden können. Weshalb sollten
Raucher das Recht haben durch weggeworfenen Dreck das Leben von Kindern zu
gefährden?
9. Das Gesundheitsministerium
schreibt: „Allgemein obliegt es dem Verantwortungs- und Vorbildbewusstsein
der Erziehungsberechtigten, bestehende Rauchverbote insbesondere auch vor ihren
Kindern einzuhalten, beziehungsweise darüber hinausgehende Maßnahmen zu
treffen, um den Nachwuchs vor Passivrauch zu schützen.“
Genau dieser Punkt funktioniert ganz offensichtlich nicht. Im Gegenteil,
überall rücksichtslos rauchende Erwachsene sind ein katastrophales Vorbild für
Kinder und Jugendliche. Studien belegen andererseits, dass im Falle eines
generellen Rauchverbots auch zuhause weniger geraucht wird. Weshalb
kommt der österreichische Staat seiner allgemeinen Schutzfunktion nicht
nach?
10.
Zu
einem Rauchverbot in teilumschlossenen Bereich im Freien meint das
Gesundheitsministerium: „Wenn auch generalpräventiven Gründen für ein
Rauchverbot an Spielplätzen, Wartebereichen/Haltestellen von öffentlichen
Verkehrsmitteln und in Eingangsbereichen öffentlicher Gebäuden wegen des klaren
gesundheitspolitischen Signals nichts entgegnet werden kann (Nichtrauchen als
Normalität) und diese insbesondere auf Spielplätzen, wie sie bereits in diversen
Städten und Gemeinden bestehen aus diesen Gründen durchaus als sinnvoll zu
erachten sind, so sind diesbezügliche Verbote aus rein gesundheitlicher Sicht
allein nicht wirklich argumentierbar.“
Das ist unrichtig, es gilt sicher nicht
für Asthmatiker (also etwa 400.000 Österreicher). Der Auslöser für nicht-allergisches Asthma ist unter anderem
Rauch, Staub, Parfum etc. Das genügt bei einem überschießend reagierenden
Bronchialsystem, dass es mit einer krampfartigen Verengung und vermehrter
Schleimsekretion reagiert. In teilumschlossenen Bereichen kann sich Tabakrauch
nicht, wie behauptet, sofort mit Frischluft vermengen. Das teilweise
Rauchverbot an Bahnhöfen wird ständig ignoriert. Ganz selbstverständlich wird
im Wartehäuschen geraucht. An Raucherzonen hält sich noch nicht einmal das
Bahnpersonal. Kontrollen gibt es keine. Unzählige Zigarettenstummel auf
Bahnsteigen und in den Wartehäuschen beweisen das. Die Bitte dort nicht zu
rauchen, wird häufig ignoriert oder belächelt. Asthmatiker stehen im Regen,
weil Raucher im überdachten Bereich gemütlich rauchen. Viele Raucher
befriedigen noch rasch ihre Sucht, bevor sie einsteigen. Meist sind es wenige
hastige Züge an der Zigarette. Die Zigarette wird, häufig noch glosend, unter
das Verkehrsmittel geworfen, im Zug wird dann der Rauch ausgeatmet. Für
Lungenkranke ist es ein Problem, für andere Fahrgäste ist es zumindest eine
unfaire Belästigung.
In vielen Krankenhäusern darf man im Eingangsbereich rauchen. Asthmatikern
mutet man aber zu durch Rauchschwaden zu gehen, weil es für Raucher nicht
zumutbar wäre, ein paar Schritte vom Eingangsbereich entfernt zu rauchen? Ist
das wirklich fair?
11. Das BMG verweist darauf, dass für
Tabakprodukte „auch Werbung im Internet“ verboten ist.
„Mitteilungen, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen
bestimmt“ sind, dürfen „ausschließlich diesen zugänglich“ sein.
Das Werbeverbot wird mit Apps fürs Smartphone unterlaufen. Sie
finden auf Facebook Aufrufe, dass man nach Österreich zum Rauchen kommen sollte. Für
Tabakprodukte gibt es Ausstellungen.
Sammler zeigen ihre Zigarettenschachteln. In Foren werden
Zigaretten als Genussmittel beworben. Ungeniert
werden in Foren Zigaretten beworben, für
bestimmte Produkte wird behauptet, dass keine Suchtwirkung vorhanden ist. Jugendliche werden gezielt
verführt. Einzelne Lobbyisten verteidigen ihre Produkte europaweit mit abertausenden von
aggressiven Postings. Es gibt spezielle Foren für Tabakprodukte die
haarsträubende Lügen verbreiten. Raucherlokale werden beworben. Und
die Trafikantenzeitung ist
selbstverständlich inklusive aller Tabakwerbungen für alle Personen einsehbar. Man
müsste schon bewusst die Augen verschließen, wenn man diese Werbung nicht
bemerkt haben will.
12. Abschließend meint das BMG: „Wirtschaftskammer
und Gastronomie im Gesetzgebungsprozess im Gesundheitsbereich auszunehmen und
auch nicht zur Stellungnahme von Entwürfen zu Rechtstexten betreffend das
legale Produkt Tabak einzuladen, ist aus der Sicht einer demokratischen
Meinungsbildung des Normengebers abzulehnen.“
Es geht nicht darum, dass die genannten Organisationen grundsätzlich aus einem
Entscheidungsprozess im Gesundheitsbereich ausgenommen werden. Aber es
verwundert doch stark, dass die Positionen der Gastronomie ein Gesetz ganz
wesentlich beeinflusst haben, während die Positionen der Mediziner, der
Wissenschaftler, der chronisch Kranken weitgehend ignoriert wurden. Damalige
Behauptungen der Gastronomie erwiesen sich inzwischen aber als falsch. Befürchtete
Umsatzeinbrüche in der Gastronomie waren z.B. bei der Einführung des
Rauchverbots in Bayern nicht nachweisbar. Im
Gegenteil, in anderen Ländern wurden die wirtschaftlichen Effekte eines Rauchverbots
positiv beurteilt. Andererseits betreffen vorzeitige Todesfälle durch Passivrauch das Gastronomiepersonal in besonderem Ausmaß.
Wie ist das jetzt zu rechtfertigen?
Wieder wird in diesem Zusammenhang auf die Legalität der Tabakprodukte
hingewiesen.
Auch Solarien sind legal, trotzdem wurde hier dem Gesundheits- und Jugendschutz gegenüber den
wirtschaftlichen Interessen der Solarienbetreiber der Verzug gegeben. Das
Glückspiel und Pornographie sind legal, trotzdem wird die Jugend bis zum 18.
Lebensjahr durch das Gesetz geschützt. Bei Tabakprodukten ist das anders. Man
schützt Minderjährige weder vor Tabakrauch noch vor den süchtig machenden
Produkten selbst. Wie ist eine so extreme Ungleichbehandlung
jugendgefährdender Produkte zu rechtfertigen? Bezüglich der Risikobewertung
diverser schädlicher Produkte wird im Gesundheitsministerium ganz offensichtlich
mit mehrerlei Maß gemessen. Bei Genprodukten, deren Schädlichkeit nicht bewiesen
ist, beruft sich das Gesundheitsministerium auf das Vorsorgeprinzip. Produkte mit einer
vergleichbaren Suchtpotenz, Toxizität und Kanzerogenität wie Tabakprodukte, sind
schon längst vom Markt verschwunden. Trotzdem beruft sich das
Gesundheitsministerium ausgerechnet bei Tabakprodukten auf die Legalität des
Produktes und räumt dafür besondere Rechte ein? Das entbehrt jeder Logik!
Das Gesundheitsministerium bestätigt mehrfach, dass „jede Verbesserung des
Nichtraucherlnnenschutzes zu begrüßen“ ist. Es erstaunt dann doch sehr,
welche Meinung das Gesundheitsministerium vertritt. Ist das wirklich
eine Betrachtungsweise, die auf wissenschaftlich, medizinischen Tatsachen
beruht? Ist das wirklich eine Meinung, die vornehmlich die Interessen der
chronisch Kranken und der Familien mit Kindern schützt oder werden hier
kritiklos Argumente wiederholt, die die Lobbyisten der Tabakindustrie und die
Vertreter der Gastronomie seit Jahrzehnten der Bevölkerung suggerieren?
Über die Jahre hinweg haben wir uns an die rücksichtslose Verschmutzung unserer Atemluft gewöhnt. Aber deswegen sterben Menschen und das wurde im Schreiben des Ministeriums auch gar nicht geleugnet. Kinder und Jugendliche werden nicht ausreichend vor einem Suchtmittel geschützt. Man opfert sie also den finanziellen Interessen der Tabakindustrie. Ist unsere Gesellschaft wirklich schon so ignorant und abgestumpft, dass uns das alles gleichgültig sein darf?
Dass eine verfehlte Tabakpolitik enorme volkswirtschaftliche Schäden verursacht, sollte
hinreichend bekannt sein. Österreichs Tabakgesetz ist das rückständigste im
EU-Vergleich. Es genügt nicht, die Fehler zwar einzugestehen, sich dann aber
auf die „fehlenden parlamentarischen Mehrheiten“ hinauszureden. Albert
Einstein wird der Satz zugeschrieben: "Die reinste Form des Wahnsinns ist
es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas
ändert." Unser Ziel ist ein funktionsfähiges, modernes Tabakgesetz. Es ist
uns bewusst, dass dieses Thema stark polarisiert. Auf der einen Seite stehen
Vernunft und ein berechtigtes Schutzinteresse der Bevölkerung, auf der anderen
Seite stehen ein Suchtmittel, skrupellose finanzielle Interessen, Unwissenheit
und Ignoranz. Wir erwarten nicht, dass die Parteien ein so sensibles Thema noch
vor den nächsten Wahlen in Angriff nehmen werden. Den idealen Zeitpunkt sehen
wir am Anfang der nächsten Legislaturperiode. Aber man muss jetzt mit der
Diskussion beginnen und die Vorbereitungen dafür treffen, damit dann eine
erfolgreiche Umsetzung möglich ist. Wir bitten Sie deshalb: Haben Sie den Mut
für den notwendigen nächsten Schritt und weisen Sie die Bürgerinitiative den inhaltlich
zuständigen Fachausschüssen zur weiteren Behandlung zu.
Prim.A.D. Dr. Kurt Aigner
ehem. Leiter der Pneumologischen Abteilung am Krankenhaus der Elisabethinen in
Linz
Vorsitzender der Initiative Ärzte gegen Raucherschäden
Dr. Stefan Strasser
Arzt für Allgemeinmedizin
Referent an verschiedenen Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege in
Niederösterreich und Wien