Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu unserer Bürgerinitiative Nichtraucherschutz und Tabakprävention wurden in den vergangenen Wochen Stellungnahmen des Wirtschafts- und des Gesundheitsministeriums eingeholt.  Das Wirtschaftsministerium hat "mangels Zuständigkeit" eine Stellungnahme abgelehnt, obwohl es auch für den Jugendschutz zuständig ist. Das Gesundheitsministerium hat bereits ausführlich geantwortet
(siehe
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/SBI/SBI_00078/fnameorig_276635.html).
Wir erlauben uns, einige Punkte kritisch zu hinterfragen. Wir denken nicht, dass die derzeitige gesetzliche Situation ausreichend ist. Sie ist weder fair noch entspricht sie dem Stand der Wissenschaft.

1.      Das BMG bestätigt: „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Passivrauchen zu Erkrankungs- und Todesfällen führt.“
Durch Passivrauch sterben in Österreich, auch nach sehr konservativen Schätzungen, jährlich hunderte Menschen vorzeitig. Dem Gesetzgeber ist das bewusst, er verpflichtet Tabakhersteller mit dem folgendem Satz darauf hinzuweisen: "Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.“ 
Tabakprodukte werden andererseits von Vertretern der Tabakindustrie und der Gastronomie als legales Genussmittel bezeichnet und auch das Schreiben des Ministeriums betont,  „dass es sich bei Tabak um ein legales Produkt handelt.“

Sind fremdverschuldete Todesfälle durch ein „Genussmittel“ überhaupt zu rechtfertigen?
Auch Autos sind ein legales Produkt. Wozu berechtigt diese Legalität? Darf man deshalb damit andere mutwillig schädigen oder töten? Es ist kritisch zu hinterfragen, wie viele fremdverschuldete Todesfälle durch Industrie und Straßenverkehr akzeptabel sind. Hier besteht aber zumindest eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Für ein Genuss- bzw. Suchtmittel besteht diese Notwendigkeit nicht.

 

2.      Im Schreiben wird eingangs behauptet, dass „in Österreich Nichtrauchen als Norm eingeführt“ wurde und ein „Paradigmenwechsel“ erfolgte. Das ist eine reine Wunschvorstellung. Dass in der überwiegenden Mehrzahl der Lokale noch immer geraucht wird, kann jeder bei einem einfachen Spaziergang problemlos selbst feststellen. Das Ministerium sieht scheinbar kein großes Problem darin, denn weiter unten im Text heißt es: "Soweit diesen Bestimmungen entsprechend Lokale in ländlichen Bereichen, die Abendgastronomie sowie Diskotheken vollkommen abgetrennte Raucherräume führen, ist aus rechtlicher Sicht nichts dagegen einzuwenden."

Wie viele Lokale in Österreich sind tatsächlich rauchfrei? Weshalb wurde das nie evaluiert? Weshalb begnügte sich Minister Stöger bei seiner Evaluation des Tabakgesetzes mit einer Erhebung der Zufriedenheit? Die
umfangreichste Liste im Internet weist noch nicht mal 1.000 Lokale auf!

3.      Wie im Schreiben erwähnt fordert das Gesetz, dass „gewährleistet sein muss, dass der Rauch nicht in die übrigen mit Rauchverbot belegten Bereiche dringt“. Es wurde bereits nachgewiesen, dass Passivrauch so gut wie immer in die mit Rauchverbot belegten Räume dringt und auch dort meist gesundheitsschädigende Konzentrationen erreicht.

Ist die im Gesetz vorgesehene Lösung, mit getrennten Raucher- und Nichtraucherbereichen, dann überhaupt sinnvoll?

4.      Sowohl internationale Fachzeitschriften wie nationale Medien berichteten wiederholt, dass das Tabakgesetz weitgehend ignoriert wird. Im ländlichen Bereich finden Sie viele Lokale, die noch nicht einmal eine Eingangskennzeichnung haben. Nur selten ist der Hauptraum rauchfrei. Zwischentüren zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen fehlen oder stehen meist offen.

Das BMG meinte: „Es ist grundsätzlich im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob es sich um ein Einzel- oder ein fortgesetztes Delikt handelt.“ Weiters ist sinngemäß zu lesen, „dass keinerlei Anhaltspunkt gesehen werden kann, dass keine nennenswerten Strafen bei Verstößen (…) ausgesprochen werden.“
Uns ist kein Fall bekannt,  in dem ein Verstoß eines Wirtes als Einzeldelikt gehandhabt wurde. Im Gegenteil, wir erhielten Berichte, dass sich einzelne Verfahren über viele Monate oder sogar über mehr als ein Jahr zogen. Die Strafhöhe liegt dann im Bereich von einigen
hundert Euro, und wird vom UVS oft reduziert. Da sich Wirte durch eine illegale Raucherlaubnis einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen, hat sich diese Summe zwischenzeitlich längst rentiert.

Das BMG schreibt weiter: „Nicht geleugnet kann werden, dass es in Einzelfällen auch ressourcenbedingte Vollzugsdefizite gibt.“ und spricht davon, „dass es immer einer gewissen Übergangsfrist braucht, um Änderungen (…) wirklich zu verankern“. Wir erhielten Berichte, dass sich einzelne Lokale auch dann nicht ans Gesetz hielten, nachdem sie mehr als zehn Mal angezeigt wurden. Berichte über kreative Umgehungen des Gesetzes fand man häufig in den Medien. Noch nicht mal Einkaufszentren halten sich zuverlässig an das Gesetz. Hier von Einzelfällen zu sprechen, ist schlicht beschönigend.

Weshalb wurde in den vergangenen Jahren die Einhaltung des Gesetzes nie evaluiert? Das Gesundheitsministerium hätte damit ein unwiderlegbares Argument für eine Verschärfung des Gesetzes.

5.      Die Anzeige des Wirts durch den Gast ist mehr als problematisch. Denken Sie wirklich, dass man nach einer Anzeige in diesem Lokal noch gerne gesehen wird? Selbst Minister Stöger lehnt es ab, Wirte, die sich nicht ans Gesetz halten, zur Anzeige zu bringen. Schließlich wird man dann öffentlich als Blockwart oder  Denunziant diffamiert. Kurioserweise sprachen sogar Personen, die maßgeblich an der Schaffung genau dieser  Regelung beteiligt waren, wie Exministerin Kdolsky und der Obmann des Fachverbandes Gastronomie Helmut Hinterleitner von „Denunzianten“. Damit wird die wichtigste Möglichkeit, die das Gesetz vorsieht, Wirte zur Einhaltung des Gesetzes zu bewegen, konterkariert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man vielleicht sogar wollte, dass dieses Gesetz nicht funktioniert.

 

Welche Auswirkung sind zu erwarten, wenn bestimmte Gesetze scheinbar nicht eingehalten werden sollen, andere aber schon? Sollten auch andere Gesetze in einem derart hohen Ausmaß ignoriert werden dürfen?

 

6.      Im Schreiben des Gesundheitsministeriums findet man den Satz: „eine Stigmatisierung der RaucherInnen wäre jedoch nicht sinnvoll, ja kontraproduktiv, und ist daher abzulehnen.“

Raucher würden  im Falle eines weitreichenden Rauchverbots weder diskriminiert  noch stigmatisiert noch bevormundet. Sie können weiterhin alle Lokale aufsuchen und sie können weiterhin rauchen so viel sie möchten. Sie dürfen lediglich dort nicht rauchen, wo sie andere in ihrer Freiheit einschränken oder gefährden. So viel an Rücksichtnahme sollte eigentlich selbstverständlich sein!
Weiter unten ist zu lesen: "Darüber hinaus sind Rauchverbote nur dann wirklich umzusetzen, wenn sie auch auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen".

Nichtraucher sind die Mehrheit. Welchen Vorteil hätte ein Nichtraucher durch Passivrauch? Weshalb sollte man also als Nichtraucher ein Rauchverbot nicht akzeptieren? Im Gegenteil, die Zahl der Personen, die durch
Passivrauch in Ihrer Lebensführung eingeschränkt wird, ist mindestens so groß, wie die Zahl der Raucher. Lokale sind ein wesentlicher Bereich des sozialen Lebens: Für Berufstätige, speziell für Pendler, haben sie eine Versorgungsfunktion. In Lokalen finden wichtige Treffen wie Familienfeiern und Firmenbesprechungen statt. Man trifft Freunde und kann sich unterhalten. Gesundheitsbewusste Nichtraucher,  Familien mit Kindern und Schwangere stehen vor der Entscheidung, entweder ein Gesundheitsrisiko in Kauf zu nehmen oder auf den Besuch von Lokalen zu verzichten. Chronisch Kranke (Lungen- und Herzkranke, Krebspatienten…) werden durch Passivrauch erheblich gefährdet. Sie werden also vom Besuch der Lokale ausgegrenzt.

Empfinden Sie dieses Gesetz wirklich als fair oder ist es Ausdruck einer rücksichtslosen Gesellschaft? Ist das österreichische Tabakgesetz für chronisch Kranke nicht bereits im rechtlichen Sinne diskriminierend? In allen Ländern mit weitreichenden Rauchverboten ist die Akzeptanz hoch. Weshalb sollte das in Österreich anders sein?

7.      Im Schreiben des Ministeriums wird auf die Schutzmaßnahmen von Minderjährigen hingewiesen: „Mindestalter von 16 Jahren (…) Dieses würde in der Regel bei der Abgabe der Tabakwaren in der Tabaktrafik kontrolliert. Für Zigarettenautomaten bestehen seit 1.1.2007 Zugangsbeschränkungen“

Wie ebenfalls angeführt wird, rauchen in Österreich mehr als ein
Viertel der 15-Jährigen (etwa 20.000 Minderjährige beginnen damit jährlich!). Kinder und Jugendliche kommen also ganz offensichtlich problemlos an Zigaretten heran. Die überwiegende Mehrheit der Raucher beginnt mit dem Rauchen in einem Alter, in dem sie die Folgen der Sucht noch nicht mal annähernd abschätzen können.

Weshalb lässt man in Österreich Kinder und Jugendliche schutzlos in eine Suchtfalle tappen?

·         Kinder und Jugendliche bezahlen hohe Summen an Tabaksteuer, obwohl sie eigentlich nicht rauchen dürften. Wie hoch sind im Vergleich dazu die Ausgaben für Tabakprävention? Die genannten Bewusstseinskampagnen liegen bereits Jahre zurück. Ob sie ihr Ziel erreichten, wurde in den Medien bezweifelt. Entgegen internationaler Empfehlungen richteten sich die Kampagnen nicht an die Gesamtbevölkerung und ihre Botschaften blieben unglaubwürdig. Die Ausgaben für Tabakprävention sind im Vergleich zu den Einnahmen beschämend gering. Erst vor wenigen Tagen hatte man kein Problem damit, Geld für den Solidaritätsfonds der Trafikanten zu beschaffen. Weshalb gibt es keine Zweckbindung der Tabaksteuer für Tabakprävention?

·         Andere Länder erlauben das Rauchen erst ab 18, dort sank die Zahl der jugendlichen Raucher bereits stark. Im Schreiben wurde auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend verwiesen. Was konkret hindert die verschiedenen Ministerien, gemeinsam an einem Gesetz zu arbeiten?

·         Ab welchem Alter wissen Jugendliche, was Wörter wie Sucht, Krebs, Herzinfarkt, Gangrän oder Schlaganfall bedeuten? Weshalb werden also keine eindeutigen Bilder auf Zigarettenpäckchen gedruckt, wie von der EU empfohlen?

·         Die Sicherheitsvorkehrungen in Zigarettenautomaten können problemlos umgangen werden. Die Zahl der jugendlichen Raucher beweist es. In anderen Ländern sind sie deshalb verboten. Weshalb nicht in Österreich?

·         Im Schreiben des Ministeriums wird darauf verwiesen, dass in „Schulen ein Rauchverbot ohne Ausnahmen“ gilt. Das Rauchverbot bezieht sich lediglich auf „Räume“ für Unterrichts- und Fortbildungszwecke. Viele Schulen erlauben das Rauchen im Außenbereich (Schulhof), aber gerade dort ist der Gruppendruck für Minderjährige besonders groß.
 

8.      Weiters schreibt das BMG: „Der umschlossene private Bereich (Wohnung, Auto, etc.) ist dem gegenüber nicht Gegenstand gesetzlicher Rauchverbote. Diese würden nicht nur in einem Spannungsverhältnis mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Privatlebens stehen, sondern wären überdies kaum einer effektiven öffentlichen Kontrolle zugänglich.“

Man darf also überall neben Kindern rauchen und mit Kindern völlig verrauchte Lokale aufsuchen. Passivrauch ist bei Kindern eine Hauptursache für den
plötzlichen Kindstod, Asthma, Atemwegsinfektionen etc. Im Harn von passivrauchenden Kindern finden sich tabakspezifische Karzinogene sowie  Abbauprodukte des Nikotins (Cotinin). Ärzte sind beruflich verpflichtet, die Ursache einer Erkrankung festzustellen. Der Privatbereich ist durch den Nachweis einer Passivrauchbelastung nicht mehr betroffen, als durch den Nachweis einer anderen Krankheitsursache. Jede andere nachweisbare Kindesmisshandlung würde hart bestraft werden. Mit welcher Begründung sollte das bei Passivrauch anders sein? Weshalb schützt der Staat noch nicht einmal die Schwächsten vor Tabakrauch?

Das
Handyverbot im Auto wird problemlos überwacht. Weshalb sollte ein Rauchverbot im Auto nicht „einer effektiven öffentlichen Kontrolle zugänglich“ sein?

Man darf an Kinderspielplätzen rauchen, obwohl verschluckte Zigarettenstummel für Kleinkinder gefährlich werden können. Weshalb sollten Raucher das Recht haben durch weggeworfenen Dreck das Leben von Kindern zu gefährden?

9.      Das Gesundheitsministerium schreibt: „Allgemein obliegt es dem Verantwortungs- und Vorbildbewusstsein der Erziehungsberechtigten, bestehende Rauchverbote insbesondere auch vor ihren Kindern einzuhalten, beziehungsweise darüber hinausgehende Maßnahmen zu treffen, um den Nachwuchs vor Passivrauch zu schützen.“

Genau dieser Punkt funktioniert
ganz offensichtlich nicht. Im Gegenteil, überall rücksichtslos rauchende Erwachsene sind ein katastrophales Vorbild für Kinder und Jugendliche. Studien belegen andererseits, dass im Falle eines generellen Rauchverbots auch zuhause weniger geraucht wird. Weshalb kommt der österreichische Staat seiner allgemeinen Schutzfunktion nicht nach?

10.  Zu einem Rauchverbot in teilumschlossenen Bereich im Freien meint das Gesundheitsministerium: „Wenn auch generalpräventiven Gründen für ein Rauchverbot an Spielplätzen, Wartebereichen/Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln und in Eingangsbereichen öffentlicher Gebäuden wegen des klaren gesundheitspolitischen Signals nichts entgegnet werden kann (Nichtrauchen als Normalität) und diese insbesondere auf Spielplätzen, wie sie bereits in diversen Städten und Gemeinden bestehen aus diesen Gründen durchaus als sinnvoll zu erachten sind, so sind diesbezügliche Verbote aus rein gesundheitlicher Sicht allein nicht wirklich argumentierbar.“

Das ist
unrichtig, es gilt sicher nicht für Asthmatiker (also etwa 400.000 Österreicher). Der Auslöser für nicht-allergisches Asthma ist unter anderem Rauch, Staub, Parfum etc. Das genügt bei einem überschießend reagierenden Bronchialsystem, dass es mit einer krampfartigen Verengung und vermehrter Schleimsekretion reagiert. In teilumschlossenen Bereichen kann sich Tabakrauch nicht, wie behauptet,  sofort mit Frischluft vermengen. Das teilweise Rauchverbot an Bahnhöfen wird ständig ignoriert. Ganz selbstverständlich wird im Wartehäuschen geraucht. An Raucherzonen hält sich noch nicht einmal das Bahnpersonal. Kontrollen gibt es keine. Unzählige Zigarettenstummel auf Bahnsteigen und in den Wartehäuschen beweisen das. Die Bitte dort nicht zu rauchen, wird häufig ignoriert oder belächelt. Asthmatiker stehen im Regen, weil Raucher im überdachten Bereich gemütlich rauchen. Viele Raucher befriedigen noch rasch ihre Sucht, bevor sie einsteigen. Meist sind es wenige hastige Züge an der Zigarette. Die Zigarette wird, häufig noch glosend, unter das Verkehrsmittel geworfen, im Zug wird dann der Rauch ausgeatmet. Für Lungenkranke ist es ein Problem, für andere Fahrgäste ist es zumindest eine unfaire Belästigung.
In vielen Krankenhäusern darf man im Eingangsbereich rauchen. Asthmatikern mutet man aber zu durch Rauchschwaden zu gehen, weil es für Raucher nicht zumutbar wäre, ein paar Schritte vom Eingangsbereich entfernt zu rauchen? Ist das wirklich fair?

11.  Das BMG verweist darauf, dass für Tabakprodukte „auch Werbung im Internet“ verboten ist.
„Mitteilungen, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt“ sind, dürfen „ausschließlich diesen zugänglich“ sein.

Das Werbeverbot wird mit
Apps fürs Smartphone unterlaufen. Sie finden auf  Facebook Aufrufe, dass man nach Österreich zum Rauchen kommen sollte. Für Tabakprodukte gibt es Ausstellungen.
Sammler zeigen ihre
Zigarettenschachteln. In Foren werden Zigaretten als Genussmittel beworben. Ungeniert werden in Foren Zigaretten beworben, für bestimmte Produkte wird behauptet, dass keine Suchtwirkung vorhanden ist. Jugendliche werden gezielt verführt. Einzelne Lobbyisten verteidigen ihre Produkte europaweit mit abertausenden von aggressiven Postings. Es gibt spezielle Foren für Tabakprodukte die haarsträubende Lügen verbreiten. Raucherlokale werden beworben. Und die Trafikantenzeitung ist selbstverständlich inklusive aller Tabakwerbungen für alle Personen einsehbar. Man müsste schon bewusst die Augen verschließen, wenn man diese Werbung nicht bemerkt haben will.

12.  Abschließend meint das BMG: „Wirtschaftskammer und Gastronomie im Gesetzgebungsprozess im Gesundheitsbereich auszunehmen und auch nicht zur Stellungnahme von Entwürfen zu Rechtstexten betreffend das legale Produkt Tabak einzuladen, ist aus der Sicht einer demokratischen Meinungsbildung des Normengebers abzulehnen.“

Es geht nicht darum, dass die genannten Organisationen grundsätzlich aus einem Entscheidungsprozess im Gesundheitsbereich ausgenommen werden. Aber es verwundert doch stark, dass die Positionen der Gastronomie ein Gesetz ganz wesentlich beeinflusst haben, während die Positionen der Mediziner, der Wissenschaftler, der chronisch Kranken weitgehend ignoriert wurden. Damalige Behauptungen der Gastronomie erwiesen sich inzwischen aber als falsch. Befürchtete Umsatzeinbrüche in der Gastronomie waren z.B. bei der Einführung des Rauchverbots in
Bayern nicht nachweisbar. Im Gegenteil, in anderen Ländern wurden die wirtschaftlichen Effekte eines Rauchverbots positiv beurteilt. Andererseits betreffen vorzeitige Todesfälle durch Passivrauch das Gastronomiepersonal in besonderem Ausmaß. Wie ist das jetzt zu rechtfertigen?

Wieder wird in diesem Zusammenhang auf die Legalität der Tabakprodukte hingewiesen.
Auch Solarien sind legal, trotzdem wurde hier dem
Gesundheits- und Jugendschutz gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Solarienbetreiber der Verzug gegeben. Das Glückspiel und Pornographie sind legal, trotzdem wird die Jugend bis zum 18. Lebensjahr durch das Gesetz geschützt. Bei Tabakprodukten ist das anders. Man schützt Minderjährige weder vor Tabakrauch noch vor den süchtig machenden Produkten selbst. Wie ist eine so extreme Ungleichbehandlung jugendgefährdender Produkte zu rechtfertigen? Bezüglich der Risikobewertung diverser schädlicher Produkte wird im Gesundheitsministerium ganz offensichtlich mit mehrerlei Maß gemessen. Bei Genprodukten, deren Schädlichkeit nicht bewiesen ist, beruft sich das Gesundheitsministerium auf das Vorsorgeprinzip. Produkte mit einer vergleichbaren Suchtpotenz, Toxizität und Kanzerogenität wie Tabakprodukte, sind schon längst vom Markt verschwunden. Trotzdem beruft sich das Gesundheitsministerium ausgerechnet bei Tabakprodukten auf die Legalität des Produktes und räumt dafür besondere Rechte ein? Das entbehrt jeder Logik!

Das Gesundheitsministerium bestätigt mehrfach, dass „jede Verbesserung des Nichtraucherlnnenschutzes zu begrüßen“ ist. Es erstaunt dann doch sehr, welche Meinung das Gesundheitsministerium vertritt. Ist das wirklich eine Betrachtungsweise,  die auf wissenschaftlich, medizinischen Tatsachen beruht? Ist das wirklich eine Meinung, die vornehmlich die Interessen der chronisch Kranken und der Familien mit Kindern schützt oder werden hier kritiklos Argumente wiederholt, die die Lobbyisten der Tabakindustrie und die Vertreter der Gastronomie seit Jahrzehnten der Bevölkerung suggerieren?

 

Über die Jahre hinweg haben wir uns an die rücksichtslose Verschmutzung unserer Atemluft gewöhnt. Aber deswegen sterben Menschen und das wurde im Schreiben des Ministeriums auch gar nicht geleugnet. Kinder und Jugendliche werden nicht ausreichend vor einem Suchtmittel geschützt. Man opfert sie also den finanziellen Interessen der Tabakindustrie. Ist unsere Gesellschaft wirklich schon so ignorant und abgestumpft, dass uns das alles gleichgültig sein darf?


Dass eine verfehlte Tabakpolitik enorme
volkswirtschaftliche Schäden verursacht, sollte hinreichend bekannt sein. Österreichs Tabakgesetz ist das rückständigste im EU-Vergleich. Es genügt nicht, die Fehler zwar einzugestehen, sich dann aber auf die „fehlenden  parlamentarischen Mehrheiten“ hinauszureden. Albert Einstein wird der Satz zugeschrieben: "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert." Unser Ziel ist ein funktionsfähiges, modernes Tabakgesetz. Es ist uns bewusst, dass dieses Thema stark polarisiert. Auf der einen Seite stehen Vernunft und ein berechtigtes Schutzinteresse der Bevölkerung, auf der anderen Seite stehen ein Suchtmittel, skrupellose finanzielle Interessen, Unwissenheit und Ignoranz. Wir erwarten nicht, dass die Parteien ein so sensibles Thema noch vor den nächsten Wahlen in Angriff nehmen werden. Den idealen Zeitpunkt sehen wir am Anfang der nächsten Legislaturperiode. Aber man muss jetzt mit der Diskussion beginnen und die Vorbereitungen dafür treffen, damit dann eine erfolgreiche Umsetzung möglich ist. Wir bitten Sie deshalb: Haben Sie den Mut für den notwendigen nächsten Schritt und weisen Sie die Bürgerinitiative den inhaltlich zuständigen Fachausschüssen zur weiteren Behandlung zu.

 

Prim.A.D. Dr. Kurt Aigner
ehem. Leiter der Pneumologischen Abteilung am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz
Vorsitzender der Initiative Ärzte gegen Raucherschäden

 

Dr. Stefan Strasser

Arzt für Allgemeinmedizin
Referent an verschiedenen Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege in Niederösterreich und Wien