Laut Statistik Austria (Stand 2016) ist
der Lungenkrebs bei Männern mit 14 % die zweithäufigste maligne
Erkrankung nach dem Prostatakarzinom, bei Frauen mit 9 % die
dritthäufigste nach Brust- und Darmkrebs. Bezüglich Mortalität steht
jedoch das Bronchuskarzinom bei Männern an erster Stelle, bei Frauen
bereits an zweiter Stelle. Während sowohl Inzidenz als auch Mortalität
bei Männern eine zunehmende Verflachung der Kurven aufweisen, sind diese
bei Frauen noch immer im Ansteigen begriffen.
Die Prognose, insbesondere das 5-Jahres-Überleben, hängt beim
Bronchuskarzinom neben den (molekular-)pathologischen Eigenschaften ganz
wesentlich vom Tumorstadium zum Zeitpunkt der Diagnose ab. Der Großteil
der diagnostizierten Patienten befindet sich jedoch bereits in einem
lokal fortgeschrittenen oder in einem disseminierten Tumorstadium, nur
21 % werden in einem lokalisierten Stadium diagnostiziert.1
Wenn es also gelingen könnte, durch ein geeignetes Screening von
Risikogruppen das Bronchuskarzinom in Frühstadien zu erkennen, müsste
sich das in einem Überlebensvorteil abbilden.
Screening mit CT
Die beste Evidenz zur Früherkennung von Lungenkrebs gibt es zum Screening mit Niedrig-Dosis-CT (Low-Dose-CT; LDCT).
National Lung Screening Trial
Die wichtigste Studie in diesem Zusammenhang ist der US-amerikanische National Lung Screening Trial (NLST). Sie ist gleichzeitig auch die bisher größte randomisiert kontrollierte Studie mit 53.454 „persons at high risk for lung cancer“.
Studiendesign: Inkludiert wurden aktive Raucher bzw.
Exraucher, die das Rauchen vor weniger als 15 Jahren aufgegeben hatten,
mit mindestens 30 Pack-Years, im Alter zwischen 55 und 74 Jahren. Die
Teilnehmer wurden 1 : 1 randomisiert in eine Gruppe, die einmal jährlich
über einen Zeitraum von 3 Jahren eine Untersuchung mit einem LDCT
erhielt, und die Kontrollgruppe, die jährlich mittels Thoraxröntgen
untersucht wurde. Dabei wurden Multidetektor-CT mit mindestens 4 Kanälen
verwendet, die applizierte Strahlendosis lag im Mittel bei 1,5 mSV,
verglichen mit einer üblichen Strahlendosis von 6 bis 10 mSv für
diagnostische CT. Die Auflösungsgrenze für Rundherde mit dieser Methode
liegt bei ca. 2 mm.2
Als positiv bzw. „verdächtig“ wurden in der Thoraxröntgengruppe alle
Rundherde definiert, die keine Verkalkungen aufwiesen, und in der
LDCT-Gruppe alle Rundherde über 4 mm ohne Verkalkungszeichen. Nach
Abschluss der drei Screening-Runden wurden nach dieser Definition in der
LDCT-Gruppe 18.146 positive Befunde erhoben, von denen sich am Ende 649
als Lungenkrebs bestätigten, die Mehrzahl der Befunde erwies sich als
falsch positiv (96,4 %). In der Thoraxröntgengruppe zeigten sich in
Summe deutlich weniger positive Befunde (n = 5.043), die
Falsch-positiv-Rate war jedoch ähnlich hoch (94,5 %). Zur Abklärung
dieser positiven Befunde wurden verschiedenste zusätzliche
Untersuchungen nötig, wie beispielsweise 11.810 zusätzliche
CT-Untersuchungen in beiden Gruppen oder 2.791 invasive Untersuchungen,
von der Nadelbiopsie über Bronchoskopien bis zur chirurgischen
Abklärung.
Ergebnisse: In der LDCT-Gruppe wurden in Summe 1.060
Bronchuskarzinome (649 davon durch das Screening) entdeckt, wobei die
Mehrheit in frühen Krankheitsstadien (IA–IIB) diagnostiziert wurde: n =
593 (57,1 %). In der Thoraxröntgengruppe wurden 941 Bronchuskarzinome
entdeckt, der Prozentanteil an Frühstadien war hier nicht so hoch: n =
363 (39 %).
Erwartungsgemäß konnte durch den höheren Anteil an Frühstadien die
Mortalität in der LDCT-Gruppe im Vergleich zur Thoraxröntgengruppe
statistisch signifikant reduziert werden. Diese relative Risikoreduktion
um 20 % führte zur Zulassung des LDCT-Screenings für „persons at high
risk for lung cancer“ in den USA. Betrachtet man jedoch die
Absolutzahlen, so reduziert sich die Begeisterung des Verfassers: In der
LDCT-Gruppe verstarben 356 Probanden an Lungenkrebs, in der
Thoraxröntgengruppe 443, die Differenz beträgt 87 Probanden. Das
Mortalitätsrisiko – bezogen auf 100.000 Patientenjahre – betrug in der
Thoraxröntgengruppe 0,309 %, in der LDCT-Gruppe 0,247 %, was einer
absoluten Risikoreduktion von 0,062 % entspricht bzw. der bereits
genannten relativen Risikoreduktion um 20 %. In Europa war die
Interpretation der Studienergebnisse daher deutlich zurückhaltender.
Europäische Studien
Mortalitätsergebnisse der größten europäischen
Studie (NELSON Trial) mit 15.448 Teilnehmern sind noch nicht
verfügbar.3
Für andere europäische Studien wie dem Danish Lung Screening Trial
(DLST) und der Multicentric Italian Lung Detection (MILD) Study liegen
Mortalitätsdaten vor: Es bestätigte sich der Befund, dass durch das
Screening mit LDCT mehr Patienten (meist > 60 %) in Frühstadien
gefunden werden können, einen Vorteil hinsichtlich Mortalität konnten
beide Studien jedoch nicht zeigen.4, 5 Weitere noch laufende
randomisierte kontrollierte Studien sind die Deutsche Lungenscreening-
und Interventionsstudie (LUSI) mit 4.052 Probanden sowie der UK Lung
Screening (UKLS) Trial.6, 7
In Summe sind in den europäischen Studien ca. 37.000 Probanden
inkludiert, das Studiendesign der meisten genannten Studien
unterscheidet sich etwas vom NLST: Die europäischen Probanden hatten
kumulativ weniger Pack-Years und die Kontrollgruppen erhielten klinische
Kontrollen ohne geplante Thoraxröntgen.
Sobald die Ergebnisse aller europäischen Studien vorliegen, ist eine
Zusammenfassung bzw. Metaanalyse geplant. Derzeit ist noch in keinem
europäischen Land das Screening mittels LDCT außerhalb klinischer
Studien etabliert.
Ein gemeinsames Statement der Europäischen Gesellschaft für Lungenerkrankungen (European Respiratory Society, ERS) und der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (European Society of Radiology, ESR) aus 2015 diskutiert ausführlich die Vor- und Nachteile eines Screening-Programms, empfiehlt Qualitätskriterien und drängt auf die gleichzeitige Durchführung von Raucherentwöhnungsprogrammen. Außerhalb von klinischen Studien oder Expertenzentren sollte das Screening nicht angeboten werden.8 Ein wesentliches Problem besteht in einer verbesserten Definition von „persons at high risk for lung cancer“, denn die tatsächliche Inzidenz von Lungenkrebs lag nach den drei Screening-Jahren im NLST bei 2001 Fällen von 53.454 Teilnehmern, entsprechend 3,74 %. Ziel wäre es also, die Prätestwahrscheinlichkeit merkbar zu erhöhen, indem z. B. auch andere Risikofaktoren einbezogen werden, wie Exposition gegenüber radioaktiver Strahlung, familiäre Disposition für Lungen- oder HNO-Tumoren, Passivrauchen u. a.
Biomarker
Liquid Biopsy: Ein Ansatzpunkt zur Vermeidung der vielen falsch positiven Befunde könnte ein möglichst sensitives Vorscreening mithilfe von Biomarkern sein: Dafür könnte beispielsweise der Nachweis zirkulierender Tumor-DNA oder zirkulierender Tumorzellen aus Blut oder Urin mittels „liquid biopsy“ dienen.
Analyse der Ausatemluft: Ein anderer vielversprechender Ansatz ist die Analyse der Ausatemluft, hier rückten in den letzten Jahren insbesondere die „volatile organic compounds“ in den Fokus der Forschung: Dabei handelt es sich um flüchtige, in sehr niedrigen Konzentrationen vorkommende Substanzen, die verschiedenen chemischen Gruppen zuzuordnen sind, wie Hydrocarbonate, Alkohole, Aldehyde, Ketone, Ester und aromatische Kohlenwasserstoffe. Dazu wird die Ausatemluft nicht sofort direkt untersucht, sondern in geeigneten Trägermedien gespeichert (z. B. in aktivkohlebeschichteten Glasröhrchen) und dann in einem zweiten Schritt technisch untersucht. Dafür kommen viele unterschiedliche Methoden zum Einsatz wie die Gaschromatografie, die Massenspektroskopie, aber auch neueste Methoden wie die „e-nose“ (elektronische Nase) in Verbindung mit neuronalen Netzwerken. Zu diesem Aspekt der Krebsfrüherkennung erschien 2016 ein sehr umfangreicher Übersichtsartikel.9 Ein Problem dieses eher jungen Forschungsfeldes ist die fehlende Standardisierung der Probengewinnung, Aufbewahrung und Untersuchung.
Krebs-Suchhunde: Einen sehr ähnlichen Ansatz der
Probengewinnung verwenden auch die Studien mit „sniffer-dogs“: Seit
einem im Lancet publizierten Fallbericht über einen Hund, der ein
malignes Melanom seines Besitzers immer dringlicher beschnüffelte, bis
es schließlich erfolgreich diagnostiziert und therapiert wurde10, erschienen etliche Studien zum Thema Krebsfrüherkennung mithilfe von „Krebs-Suchhunden“.11–16
In den meisten Studien konnte tatsächlich nachgewiesen werden, dass die
speziell trainierten Hunde mit einer Sicherheit von weit über 90 % eine
Tumorprobe aus mehreren Nichttumorproben herausfinden konnten. Daraus
wurde in den USA bereits ein Geschäftsmodell, bei dem „sniffer-dog
squadrons“ zur Krebsfrüherkennung kommerziell eingesetzt werden, auch in
Österreich gibt es diesbezüglich bereits einen Anbieter. Wenn man den
ganz selbstverständlichen Einsatz von Hunden in anderen „Suchgebieten“
betrachtet (Drogensuchhunde, Leichensuchhunde, Suche nach verschütteten
Personen …), erscheint es durchaus plausibel, dass die Methode
funktionieren könnte.
Die Datenlage für den Einsatz von „Krebs-Suchhunden“ ist aber derzeit
tatsächlich nicht überzeugend: Es gelten bezüglich Probengewinnung und
Aufbewahrung die bereits oben genannten Probleme. Zusätzlich wurden alle
positiven Studien in einem Setting durchgeführt, das nicht einer
Screening-Situation entspricht: Es war immer eine Probe aus 5–7 Proben
positiv, das entspricht nicht der Krebsinzidenz in Screening-Programmen.
In einem „real-life setting“, in dem theoretisch zwischen null und 5
bis 7 Proben für Krebs positiv sein könnten, ist die Erkennungsrate
deutlich niedriger (PPV 30,9 %).17 Die einzige publizierte
Studie, die den Einsatz von Krebs-Suchhunden in einer screeningähnlichen
Situation untersuchte, zeigte einen Negative Predictive Value von 84 %,
was klinisch nicht ausreichend ist, um negative Probenergebnisse sicher
von weiteren Screening-Untersuchungen auszuschließen.17
Prävention: In diesem Zusammenhang hervorzuheben ist jedoch die Prävention als immer noch beste Methode zur Senkung der Lungenkrebsmortalität: Sowohl die primäre Prävention durch Verbesserung des Nichtraucherschutzes und durch drastische Erhöhung der Zigarettenpreise als auch die Sekundärprävention im Sinne von strukturierten und flächendeckenden Raucherentwöhnungsprogrammen haben sich als effektiv erwiesen. In NLST sank die lungenkrebsspezifische Mortalität nach sieben Jahren Rauchabstinenz um 20 %, die italienische MILD-Studie zeigt ein ähnliches Ergebnis hinsichtlich der Raucherentwöhnung auf die Gesamtmortalität, wobei der Effekt als 3- bis 5-fach höher angegeben wird als eine Früherkennung mittels LDCT allein.
Fazit
Das Screening zur Früherkennung von Lungenkrebs ist noch nicht in der Routine angekommen: Es gibt Probleme bei der Definition der Risikopopulation, der Ressourcenaufwand für das LDCT-Screening ist nicht zu unterschätzen, der Impact der vielen falsch positiven Ergebnisse auf die Patienten und auch auf die Kostenträger ist erheblich. Das Vorscreening mittels Biomarkern (z. B. Liquid Biopsy oder Atemgasanalyse) ist vielleicht in der Zukunft eine Methode, die Ergebnisse zu verbessern. Primäre und sekundäre Prävention müssen gestärkt werden.