Den Begriff 'Passivrauchen'
prägte lange vor den Nazis (und den Amerikanern) ein Deutscher
Internist und Sozialdemokrat Ende der 1920er Jahre: Fritz Lickint setzte
sich mit
gesundheitlichen und sozialen Problemen des Alkohol- und vor allem des
Tabakkonsums wissenschaftlich auseinander und beschrieb lange vor
Wynder den Raucherkrebs
der
Lunge und sogar schon die Krebsstraße entlang der Atem- und
oberen Verdauungswege (schon 1925 die Häufung von
Magengeschwüren und Magenkrebs bei Rauchern). Lickint war
zeitlebens engagierter Sozialdemokrat und Mitglied des "Vereins
sozialistischer Ärzte". Seine politische Gesinnung kostete ihm
kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1934 den
Arbeitsplatz am Krankenhaus Chemnitz und zu Kriegsbeginn 1939 wurde
Lickint als einfacher Sanitäter zum Heeresdienst eingezogen.
Erst
nach 1945 konnte er wieder seiner angestammten Arbeit als Spitalsarzt
und später auch als Spitalsleiter nachgehen.
Sein leider erst
1939 erschienenes Lehrbuch der Tabakkrankheiten beschreibt physische
und psychische Tabakabhängigkeit
als behandlungsbedürftig, schlägt eine Reihe (z.T.
heute noch
verwendeter) Therapien vor, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass
viele Raucher "asozial handeln, ohne Rücksicht auf
die
Umgebung die Luft verpesten und andere Menschen
gesundheitsschädigen". Die Nazis haben sich solcher Ideen z.T.
bemächtigt, gleichzeitig aber Soldaten mit Zigaretten versorgt
und vor allem in Österreich
mit der Tabakindustrie kooperiert.
Nach dem Krieg wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Rauchen
und Lungenkrebs (die schon vor 1938 auch in Österreich bekannt
waren) von den Amerikanern übernommen und 1950 als ihre eigene
Entdeckung ausgegeben, was aber den Siegeszug der Tabakindustrie nicht
stoppen konnte, weil Tabakwerbung und gekaufte Experten den
Zusammenhang weiterhin in Frage stellten. Erst 1975 kam es in Minnesota
zu den ersten Rauchverboten und 1995 verbot Kalifornien das Rauchen in
Restaurants. In Österreich und Deutschland aber wirkt bis
heute
die Propaganda der Tabakindustrie, die behauptet, die
Nichtraucherbewegung wäre auf Hitler
zurückzuführen
(siehe z.B. www.raucherbewegung.eu). Tatsächlich feierten die "Vereinigten Tabakzeitungen" schon am 8.4.1938 die Annexion Österreichs. Der
Zigarettenfabrikant Philipp
Fürchtegott Reemtsma
spendete regelmäßig an den
prunksüchtigen Hermann Göring und sicherte sich so
eine
zentrale Stellung im reichsdeutschen Zigarettenmarkt. Unter den
Nazis wurde mehr geraucht denn je.
Der Missbrauch der Hygiene im
3.Reich bewirkte einen
Imageverlust für das Öffentliche Gesundheitswesen,
sodass die
entsprechende Forschung und Lehre in Deutschland und
Österreich
vernachlässigt und schließlich (z.T. von emigrierten
Professoren) als 'Public Health' zurück importiert werden
musste.
Tabak wurde in Europa von unabhängigen Instituten aber kaum
mehr
wissenschaftlich behandelt. Die Suchtprävention
vernachlässigte Nikotin jahrzehntelang und zum Teil bis in die Gegenwart.
So
ist es nicht verwunderlich, dass die Tabakindustrie ihre Chance nutzte
und ein Netzwerk der Desinformation aufbaute, mit Hilfe korrupter
Wissenschaftler, Medien und Politiker. Besonders das
Naheverhältnis zwischen den Finanzministern und der
Tabakindustrie
sowie die Monopolisierung des Vertriebssystems der Zeitungen bei den
Trafikanten förderte diesen Prozess. Erst die jüngste
Vergangenheit brachte wieder Fortschritte in Nord- und Westeuropa, die
im angloamerikanischen Bereich (von Kalifornien bis Neuseeland) ihren
Ursprung haben. Irland und Norwegen waren dabei die Vorreiter.