Zusammenfassung
Passivrauchen stellt ein erhebliches Risiko für die Gesundheit
dar. Mit Daten der Studie des Robert Koch-Instituts (RKI)
„Gesundheit in Deutschland aktuell“ 2009 (GEDA 2009) wird
die aktuelle Verbreitung des Passivrauchens in der 18-jährigen und
älteren Bevölkerung Deutschlands beschrieben. Die Ergebnisse
zeigen, dass 42% der Männer und 26% der Frauen, die selbst nicht
rauchen, regelmäßig einer Passivrauchbelastung ausgesetzt
sind. Besonders betroffen sind junge Erwachsene und Personen mit
niedrigem Sozialstatus. Als Orte der Passivrauchexposition kommt dem
Arbeitsplatz, Kneipen, Bars und Diskotheken sowie der eigenen Wohnung
und den Wohnungen von Freunden und Bekannten die größte
Bedeutung zu. Der Vergleich mit Daten aus dem Jahr 1998 zeigt aber
auch, dass das Ausmaß der Passivrauchbelastung in den letzten
zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist. Einen wesentlichen
Beitrag hierzu dürften die in den letzten Jahren ergriffenen
Maßnahmen zum Nichtraucherschutz geleistet haben. Vor diesem
Hintergrund spricht vieles dafür, diese weiterzuentwickeln und
konsequent umzusetzen.
Einleitung
Tabakrauch ist auch dann gesundheitsschädlich, wenn er nicht
direkt inhaliert, sondern über die Raumluft eingeatmet wird. Dies
gilt insbesondere bei regelmäßiger Passivrauchexposition
über längere
Zeiträume. Passivrauchen verursacht qualitativ ähnliche
Beschwerden und Erkrankungen, wie sie bei aktiven Rauchern bekannt
sind. Neben akuten Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Reizungen
der Augen- und Atemwegsschleimhäute, zählen dazu auch
schwerwiegende Krankheiten, wie etwa Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und
Krebserkrankungen. Diese gehen mit einem hohen Behandlungsbedarf und
einer beeinträchtigten Lebensqualität der Betroffenen einher
oder führen sogar zum Tod. Durch Passivrauch belastete Personen
haben ein in der Größenordnung von 20 bis 30 % erhöhtes
Erkrankungs- beziehungsweise Sterberisiko für Lungenkrebs,
koronare Herzerkrankung, Schlaganfall und chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung im Vergleich zu nicht exponierten Nichtrauchern (DKFZ
2005; USDHHS 2006). Schätzungen zufolge sterben allein in
Deutschland jährlich mehr als 3.300 Menschen aufgrund
regelmäßigen Passivrauchens (Keil et al. 2005).
Gesundheitsgefährdende Bestandteile im Passivrauch
Die Zusammensetzung des Passivrauches gleicht in qualitativer Hinsicht
dem von Rauchern direkt inhalierten Hauptstromrauch. Dieser
enthält über 4.800 bekannte Stoffe. Eine krebserregende
Wirkung
ist für 90 dieser Substanzen nachgewiesen oder wird vermutet (DKFZ
2009a). Beim Verglimmen des Tabaks entsteht zusätzlich der
sogenannte Nebenstromrauch, der circa 85% des Tabakrauchs
ausmacht. Darin sind die toxischen Verbrennungsprodukte teilweise sogar
höher konzentriert als im Hauptstromrauch. Ursache hierfür
ist vor allem eine unvollständige Verbrennung des Tabaks aufgrund
der niedrigeren Temperaturen. Zur Entstehung giftiger
Verbrennungsprodukte tragen sogenannte Zusatzstoffe bei, die Tabakwaren
aus produktionstechnischen Gründen oder zur Geschmacksverbesserung
beigefügt werden. Beispielsweise bilden sich aus zugesetztem
Zucker die Kanzerogene Form- und Acetaldehyd (DKFZ 2005, 2009b).
Tabakrauch enthält außer gasförmigen Substanzen
Feinstaubpartikel, an die sich Schadstoffe anlagern. Je kleiner die
Staubteilchen sind, desto tiefer gelangen sie in die Atemwege (z. T.
bis in die Alveolen) und können dort entzündliche Reaktionen
hervorrufen. Im Nebenstromrauch finden sich durchschnittlich kleinere
Partikel als im Hauptstromrauch. Die Bestandteile des Tabakrauchs
lagern sich an Wänden, Böden und Gegenständen ab, sind
also nicht durch einfaches Lüften zu entfernen. Außerdem
zeigen Untersuchungen, dass sich Zusammensetzung und Toxizität des
Tabakrauchs im zeitlichen Verlauf verändern. Auch von Räumen
und Gegenständen, die mit „altem“ Rauch
(thirdhandsmoke) kontaminiert sind, gehen gesundheitliche Gefahren aus
(DKFZ 2005, 2010a,b).
Daten zur Passivrauchbelastung der Bevölkerung in Deutschland GEDA 2009 und BGS 98
Bei der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“(GEDA)
2009 handelt es sich um eine repräsentative Befragung durch
computerunterstützte Telefoninterviews (CATI), die zwischen Juli
2008 und Juni 2009 vom Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt
wurde. Die im Rahmen des Gesundheitsmonitorings jährlich
wiederholte GEDA-Studie ist auf die kontinuierliche Beobachtung von
Entwicklungen des Krankheitsgeschehens, des Gesundheits- und
Risikoverhaltens sowie der Gesundheitsversorgung ausgerichtet (Kurth et
al. 2009). Insgesamt wurden in dieser Studie im Jahr 2009
21.262 Personen befragt (Kooperationsrate: 51,2 %). In dem vorliegenden
Beitrag werden aus GEDA 2009 aktuelle Daten zur Passivrauchbelastung
der Bevölkerung vorgestellt. Neben Angaben über die
Verbreitung des Passivrauchens in der Bevölkerung werden auch
Ergebnisse zur Häufigkeit und den Ort der Exposition
gegenüber Passivrauch präsentiert. Außerdem liefert der
Vergleich dieser Daten mit den Ergebnissen des
Bundes-Gesundheitssurveys (BGS) aus dem Jahr 1998 Hinweise darauf, wie
sich das Ausmaß der Passivrauchbelastung in den letzten zehn
Jahren verändert hat (siehe auch Lampert, List 2010, 2011).
Fragen zur Passivrauchbelastung in GEDA 2009
Die Passivrauchbelastung wurde in der GEDA-Studie mit drei Fragen
erhoben, die sich nur an Personen richteten, die selbst nicht rauchen
(n=15.018). Zunächst sollten die Befragten angeben, an wie
vielen Tagen in der Woche sie Tabakrauch ausgesetzt sind
(Antwortvorgaben: „keinen Tag“, „1 bis 3 Tage“,
„4 bis 6 Tage“, „täglich“) und wie viele
Stunden am Tag dies der Fall ist (Antwortvorgaben:
„weniger als 1 Stunde“, „1 bis 3 Stunden“,
„3 bis 5 Stunden“, „mehr als fünf
Stunden“). Anschließend sollte der Ort der
Passivrauchbelastungen benannt werden (Antwortvorgaben: „bei der
Arbeit“, „zu Hause“, „in Kneipen, Cafés,
Bars, Diskotheken etc.“, „in Restaurants“, „bei
Freunden, Bekannten“ an „anderen Orten“). Die
Ergebnisse zur Passivrauchbelastung, die für die 18-jährige
und ältere
Wohnbevölkerung Deutschlands repräsentativ sind, werden
für Männer und Frauen, vier Altersgruppen (18-29, 30-44,
45-65, 65+ Jahre) und drei Sozialstatusgruppen (niedrig, mittel, hoch)
ausgewiesen. Der Sozialstatus wurde anhand von Angaben zur schulischen
und beruflichen Bildung, zum beruflichen Status und zum
bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen als Punktsummenscore
ermittelt (vgl. Winkler, Stolzenberg 1999).
Ergebnisse aus GEDA 2009
Nach den GEDA-Daten waren im Jahr 2009 rund 33% der 18-jährigen
und älteren Bevölkerung, die selbst nicht rauchen, mindestens
an einem Tag in der Woche einer Passivrauchbelastung ausgesetzt. Auf
Männer traf dies mit 42 % gegenüber 26 % häufiger zu als
auf Frauen. Der höchste Anteil der Exposition wurde bei jungen
Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren festgestellt, aber auch im
mittleren Erwachsenenalter ist ein großer Teil der
Bevölkerung regelmäßig mit Tabakrauch konfrontiert.
Erst ab dem 65. Lebensjahr nimmt die Passivrauchbelastung deutlich ab
(Abbildung1). Die Häufigkeit der Passivrauchbelastung, bezogen auf
die Anzahl der Tage pro Woche, ist bei jungen Erwachsenen im Alter von
18 bis 29 Jahren am höchsten. In dieser Altersgruppe ist ein
Fünftel der
Nichtraucher und ein Sechstel der Nichtraucherinnen täglich Tabakrauch ausgesetzt (Tabelle1).
Bezüglich der Orte der Passivrauchbelastung fällt auf, dass
Männer überall weitaus häufiger als Frauen mit
Tabakrauch konfrontiert sind, ausgenommen davon ist nur die eigene
Wohnung, in der keine bedeutsamen geschlechtsspezifischen Unterschiede
festzustellen sind. Erfolgt eine Eingrenzung auf die
Erwerbsbevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren betragen die
Prävalenzen für Passivrauchbelastung am Arbeitsplatz bei
selbst nicht rauchenden Männern und Frauen 31 % beziehungsweise
14%. Die nach Altersgruppen differenzierte Betrachtung zeigt, dass sich
junge Erwachsene vor allem in Kneipen, Bars und Diskotheken sowie bei
Freunden und Bekannten Tabakrauch ausgesetzt sehen. Bei jungen
Männern kommt dem Arbeitsplatz als Ort der Passivrauchbelastung
ein ähnlich hoher Stellenwert zu, für junge Frauen gilt dies
nicht gleichermaßen. Bei Frauen kommt der eigenen Wohnung und der
Wohnung von Freunden und Bekannten eine vergleichbare Bedeutung zu
(Tabelle2). Darüber hinaus zeigen die GEDA-Daten des RKI, dass
Personen mit niedrigem Sozialstatus deutlich häufiger als Personen
mit hohem Sozialstatus einer Passivrauchbelastung ausgesetzt sind
(Abbildung2).
Vergleich der Ergebnisse aus GEDA 2009 mit denen des BGS 98
Um die Wirksamkeit der in den vergangenen Jahren eingeführten
Regelungen zum Nichtraucherschutz bewerten zu können, bedarf es
Daten zur zeitlichen Entwicklung der Passivrauchbelastung. Einen
Anhaltspunkt liefert hier ein Vergleich der Ergebnisse der GEDA-Studie
2009 mit denen des Bundes-Gesundheitssurvey (BGS) 1998. Möglich
ist dies allerdings nur für Personen im Alter von 18 bis 79
Jahren, da der BGS 1998 auf diese Altersspanne begrenzt war. Der
Vergleich zeigt, dass der Anteil der Nichtraucherinnen und
Nichtraucher, die einer Passivrauchbelastung ausgesetzt sind, im
Zeitraum von 1998 bis 2009 deutlich gesunken ist, bei Männern von
61,6 % auf 42,8 % und bei Frauen von 52,5 % auf 26,9 %. Der
Rückgang der Passivrauchbelastung ist in allen Altersgruppen zu
beobachten, besonders stark fiel er bei Frauen ab dem 30. Lebensjahr
aus (Abbildung3).
Diskussion
Die beschriebenen Ergebnisse zeigen einerseits, dass noch immer rund
ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland, die selbst nicht rauchen,
regelmäßig einer Passivrauchbelastung ausgesetzt ist.
Andererseits hat sich das Ausmaß der Passivrauchbelastung in den
letzten zehn Jahren deutlich verringert. Einen wichtigen Beitrag hierzu
dürften die in den letzten Jahren implementierten
Tabakkontrollmaßnahmen geleistet haben. Dies gilt insbesondere
für die Umsetzung von Rauchverboten. Die positiven Effekte von
Rauchverboten am Arbeitsplatz sind eindeutig belegt. Sie führen
nicht
nur dazu, dass die Passivrauchbelastung abnimmt, sondern auch zu
sinkenden Raucherquoten und einer geringeren Zahl pro Tag gerauchter
Zigaretten. Die Stärke dieses Effektes hängt von der
Stringenz ab, mit der die Rauchverbote umgesetzt werden: Sind weiterhin
Rauchgelegenheiten, etwa in Form von Raucherräumen vorhanden, sind
Rauchverbote am Arbeitsplatz deutlich weniger wirksam (DKFZ 2010b).
Gerade im beruflichen Umfeld ergänzen sich häufig gesetzliche
Vorgaben (Arbeitsstättenverordnung,
Bundesnichtraucherschutzgesetz, Landesgesetze zum Nichtraucherschutz),
freiwillige betriebliche Vereinbarungen und ein verändertes
gesellschaftliches Bewusstsein, sodass Nichtrauchen am Arbeitsplatz
mehr und mehr zur Norm wird. Rauchverbote im Gastronomiebereich sind in
Deutschland bislang relativ uneinheitlich geregelt und ihre Einhaltung
wird zudem nicht konsequent überprüft. Dabei sind
vielfältige positive Auswirkungen von Rauchverboten in der
Gastronomie beschrieben. So nimmt bei den dort beschäftigen
Personen bereits nach kurzer Zeit die Häufigkeit von
Atemwegserkrankungen und anderen Beschwerden wie Augenreizungen ab,
während sich Lungenfunktionsparameter verbessern (DKFZ 2010b).
Außerdem spricht vieles dafür, dass nach der Einführung
von Rauchverboten in der Gastronomie die Rate an Herzinfarkten in der
Allgemeinbevölkerung, und hier vor allem bei Nichtrauchern, sinkt
(Lightwood, Glantz 2009; Goodman 2009; Meyers et al. 2009). Durch den
Ausgang des im Juli 2010 durchgeführten Volksentscheids hat Bayern
als erstes Bundesland ein striktes Rauchverbot in der Gastronomie
eingeführt, das heißt nahezu ohne Ausnahmeregelungen.
Fazit
Vor diesem Hintergrund kann geschlussfolgert werden, dass die in den
letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz zu
einem besseren Schutz vor Passivrauchbelastungen geführt haben. In
der Bevölkerung finden diese Maßnahmen mittlerweile
große Zustimmung (siehe hierzu DKFZ 2010c), es bestehen aber noch
erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten und zwar sowohl in Bezug auf
die Weiterentwicklung der Maßnahmen als auch hinsichtlich der
Umsetzung und Durchsetzung der vorhandenen Regelungen und Bestimmungen.
Weitere Informationen zum Thema bietet die von den Autoren 2010
vorgelegte Publikation Gesundheitsgefahr Passivrauchen (GBE kompakt
3/2010).
Literatur
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Schutz der Familie vor Tabakrauch. Rote Reihe Tabakprävention und
Tabakkontrolle. Band 14. Heidelberg.
http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/RoteReihe/Band_14_Schutz_der_Familie_vor_Tabakrauch.pdf
(Abrufdatum: 18.08.2011).
DKFZ (Hrsg.) (2010b): Nichtraucherschutz wirkt – eine
Bestandsaufnahme der internationalen und der deutschen Erfahrungen.
Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle. Band 15.
Heidelberg.
http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/RoteReihe/Band_15_Nichtraucherschutz_wirkt.pdf
(Abrufdatum: 18.08.2011).
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Steigende Zustimmung bei Rauchern. Aus der Wissenschaft –
für die Politik.Heidelberg.
http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Rauchfreie_Gaststaetten_2010.pdf
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DKFZ (Hrsg.) (2009a): Krebserzeugende Substanzen im Tabakrauch. Fakten
zum Rauchen. Heidelberg.
http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_Kanzerogene_im_Tabakrauch.pdf
(Abrufdatum:
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Band 5. Heidelberg.
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178-183.
Kontakt
Dr. Thomas Lampert
Robert Koch-Institut
FG24 Gesundheitsberichterstattung
General-Pape-Str. 62-64,
D-12101 Berlin
Telefon: 030 18754-3304
Fax: 030 18754-3513
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