Subject: Zigarettenautomaten
From: Manfred Neuberger 
Date: 06.02.2017 11:34
To: Hannes.Hofer@mvg.at
CC: "MR Dr. Roland Grabner" 


Sehr geehrter Herr Mag. Hofer!

Im ORF-Report sagten Sie: http://tvthek.orf.at/profile/Report/11523134/Report/13904392/Das-Ende-der-Zigarettenautomaten/13961206 (ab 4:20)
"Ich finde auch, dass es unbefriedigend ist, wenn da und dort eine Studie auftaucht, die sagt: 'Ja aber die Jugendlichen sagen, wir haben's aus der Trafik', und andere sagen wieder: 'Nein, nein, die Trafikanten machen das hervorragend'. Das gehört klar aufgeklärt,... und untersucht, und dann kann man anhand dieser Untersuchung sagen, wo steht man und wie kann man sich noch besser entwickeln."

Deshalb möchte ich vor unserem Gespräch am 17.2. klarstellen, dass ich nicht über Studien diskutiere, die von Interessensvertretern (Trafikanten, Tabakindustrie, etc.) beauftragt, bezahlt oder durchgeführt wurden. Meine Aussagen bezogen sich auf eine rezente Studie der MUW, zwei älteren Studien im Auftrag der Steirischen und der Oberösterreichischen Landesregierung,  sowie europäischen Studien, die in internationalen Journals mit Peer Review veröffentlicht wurden und für die alle ein Interessenskonflikt ausgeschlossen wurde.

Ihre APA-Meldung klingt wie eine Aussendung der Trafikanten, obwohl Sie doch das BMF vertreten sollten. Die Gefahren, die von Tabakprodukten ausgehen, sind bekannt. Sie töten die Hälfte ihrer Konsumenten vorzeitig, sie haben eine hohe Suchtpotenz, sie schädigen sogar Personen, die diese Produkte selbst nicht konsumieren wollen. Nur um zu verdeutlichen, wie schwach die derzeitige Kontrolle ist, möchte ich sie mit Produkten vergleichen, von denen ebenfalls Gefahren ausgehen können: mit Medikamenten.

Tabakprodukte sind

Jedes Medikament mit nur einer dieser Eigenschaften wäre (trotz einer gleichzeitigen Heilwirkung) zumindest verschreibungspflichtig und apothekenpflichtig, oder würde sofort vom Markt genommen. Immer wieder wird argumentiert, dass Tabakprodukte ein "legales Genussmittel" sind. Genau das macht sie aber so problematisch, Genussmittel sind weit verbreitet, es gibt kein Medikament, das nur annähernd so oft verkauft wird wie Zigaretten. Deshalb muss die Regulierung zwangsläufig besonders streng erfolgen. In Österreich rauchen mehr Kinder und Jugendliche als in anderen Ländern. Der Grund ist, dass sie besonders leicht an Tabakprodukte herankommen, sonst wäre die extreme Zahl der jugendlichen Raucher gar nicht möglich.

Nun stellt sich die Frage, ob man so ein gefährliches Produkt weiterhin über Automaten abgeben darf.
Es ist zumutbar, dass sich erwachsene Raucher ihr Produkt aus der Trafik besorgen, die meisten Lebensmittel und Medikamente sind auch nicht über Automaten verfügbar. Der Trafikant muss einen Ausweis verlangen, das Bewusstsein, dass man ein gefährliches Produkt erwirbt, steigt dadurch. Die Trafikanten hätten deshalb kurzfristig keinen Verlust zu erwarten, das Geschäft verlagert sich lediglich in die Trafik. Die MVG hat die Aufgabe... auf die Einhaltung der für den Kleinhandel geltenden Rechtsvorschriften... zu achten ( MVG § 14. (1) ). Das gilt natürlich auch für den Jugendschutz. Nun hat die MVG eine Ausweiskontrolle unter dem Namen "Alter check's!" eingeführt. Die Einhaltung durch die Trafikanten wird in folgender Form überprüft.
Bei Verstößen sind theoretisch folgende Sanktionen vorgesehen:
Sind die vorgesehenen Kontrollen und Strafen angesichts der extremen Anzahl an rauchenden Jugendlichen tatsächlich ausreichend,
wenn ein süchtig machendes, potentiell todbringendes Produkt, illegal von Trafikanten an Jugendliche abgegeben wird?
Zum Vergleich:
Dabei könnte die MVG durchaus Verstöße gegen den Jugendschutz mit ausreichend abschreckenden Maßnahmen sanktionieren.

Wenn hier nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dann kann man davon ausgehen, dass die MVG den Jugendschutz nicht ernst nimmt.

Tabakprodukte haben keinerlei positiven Auswirkungen.
Tabakprodukte sind legal, diese Legalität berechtigt aber zu nichts. Im Gegenteil, die Legalität eines potentiell todbringenden Suchtmittels bringt Verpflichtungen mit sich. Die MVG ist kein Serviceunternehmen der Tabakindustrie, sondern eine staatliche Einrichtung, die auch Kontrollfunktionen wahrzunehmen hat. Diese Kontrollen sind im Jugendschutz derzeit noch völlig unzureichend, das sehen Sie an der extremen Zahl an rauchenden Jugendlichen in Österreich.

Wenn Sie Ihre Rolle nicht als Serviceunternehmen des Tabakhandels, sondern als staatliche Kontrollinstitution verstehen, werden wir am 17.2. ein konstruktives Gespräch führen können, bei dem ich Ihnen gern über Erfahrungen anderer Kontrollinstitutionen (z.B. in Irland, Ungarn, etc.) berichten kann, die mit europäischen und nationalen NGOs (wie www.aerzteinitiative.at in Österreich) gut kooperieren.

Mit freundlichen Grüßen, Univ.Prof. Dr. Manfred Neuberger