Vladimir Spidla (EU
commissioner
for employment and
equal opportunities) said discrimination on the grounds of racial or
ethnic
origin, disability, age, sexual orientation and religion and belief does not
cover tobacco users (which is none
of the above, but a bad habit). Source: The Financial Times. Aug 5, 2006.
Die Erregung, mit der zur Zeit über die Rauchverbote
diskutiert wird, ist in der Tat erschreckend. Man könnte fast den
Eindruck gewinnen, dass es bis vor kurzem noch überhaupt keine
Rauchverbote gegeben hätte, dass nunmehr durch dieses unversehens
über uns hereinbrechende Ereignis die Kultur des Morgen- und des
Abendlandes auf dem Spiel stünde und dass Faschismus und Apartheid
sich die Hände schütteln – alles unter der Knute
genussfeindlicher Gesundheits- und Moralapostel. Und ausgerechnet
diejenigen echauffieren sich, die sonst so gern Lockerheit und
Gelassenheit für sich proklamieren: wer wird denn gleich in die
Luft gehen?
Wenn eine Kultur während der letzten Jahrzehnte den Bach hinunter
gegangen ist, dann ist das die „Rauchkultur“.
Ursprünglich eine feierliche Zeremonie unter Indianern, wurde das
Rauchen in Europa zu einer eigenständigen Kultur. Doch das ist
längst Geschichte. Nur ein verschwindend kleiner Rest von Pfeifen-
und Zigarrenliebhabern lässt davon noch etwas erahnen –
Raucher, die es überhaupt nicht nötig haben,
Nichtraucherflüge zu meiden oder nasskalte Balkone aufzusuchen,
weil sie ihre Sucht befriedigen müssen. Wie unendlich weit hat
sich davon der gewöhnliche Raucher entfernt, der sich morgens eine
Schachtel aus dem Automaten zieht, schnell vor der Arbeit noch ein bis
zwei Kippen ebenso gedankenlos durchzieht, wie er dann den Stummel
fallen lässt und sich abends wundert, dass die Schachtel schon
wieder leer ist.
Worum geht es denn eigentlich? Im Grunde genommen um
herzlich wenig. Seit Jahrzehnten herrschen Rauchverbote in
Kaufhäusern, Supermärkten, Straßenbahnen, Bibliotheken,
Museen usw. Sie sind in der Gesellschaft fest verankert und
unumstritten. Was jetzt geschieht, ist deshalb eigentlich gar nichts
Neues, es handelt sich lediglich um eine Ausweitung bestehender
Rauchverbote auf Gaststätten, Bahnhöfe und andere
öffentliche Gebäude. Nie hat sich ein Raucher beklagt, dass
er beim Einkaufen nicht rauchen darf, nicht mal im Tabakgeschäft.
Nie hat ein Raucher behauptet, er würde aus Bibliotheken oder
Museen ausgesperrt und ausgegrenzt. Dennoch wird die aktuelle
Ausweitung der Rauchverbote nun plötzlich zum Anlass für
lautes Wehgeschrei genommen, ja selbst von Diskriminierung und
Apartheid ist die Rede. Hierzu mögen vielleicht die seit einiger
Zeit in den Bahnhöfen angebrachten gelben Schilder Anlass geben,
auf denen sogenannte „Raucherzonen“ ausgewiesen sind. Doch
schon die unter dem schlimmen Schriftzug angebrachte englische
Übersetzung „smoking area“ zeigt, worum es geht:
einzig und allein um die Tätigkeit des Rauchens, für die die
Raucherzone aufzusuchen ist. Von Apartheid also keine Spur, denn wer
gerade nicht raucht ist, kann sich selbstverständlich aufhalten,
wo es ihm beliebt.
Genau dies unterscheidet Raucher von Farbigen, Juden oder was sonst
noch so an abstrusen Vergleichen herangezerrt wird. Es geht nicht um
Eigenschaften oder Kennzeichen, die sich die genannten
Vergleichsgruppen nicht ausgesucht haben und auch gar nicht ändern
könnten. Es geht einzig und allein um eine Handlung, nämlich
die des Rauchens. Und genau das ist der springende Punkt: einen
Raucher, der gerade keine Zigarette in der Hand hat, kann man gar nicht
als solchen erkennen, und deshalb kann man ihn auch nicht
diskriminieren, hetzen, hassen oder welche schauerlichen Vokabularien
aus dem Bereich der Paranoia sonst noch bemüht werden. Das
Szenario der „Raucherhatz“ ist folglich ein reines
Fantasiegespinst.
Objekt der Rauchverbote ist also nicht die Person, sondern allein die
Tätigkeit des Rauchens, oder präzise gesagt: noch nicht mal
das Rauchen, sondern eigentlich nur der Qualm, der beim Rauchen
entsteht. Dieser wird nun mal von der Mehrzahl der Menschen als
unangenehm empfunden, ja sogar von vielen Rauchern selbst. Da gibt es
welche, die nur auf dem Balkon und nicht in der Wohnung rauchen;
welche, die beim Autofahren den ausgerauchten Stummel vorzugsweise aus
dem Fenster werfen, damit er das Auto nicht mit dem Gestank kalter
Asche füllt. Oder die, die von einer Kneipentour heim kommen und
als erstes ihre Wäsche in die Waschmaschine stopfen, bevor sich
der Gestank in der Wohnung ausbreitet. Oder wieder andere, die
Rauchverbote in der Gastronomie vehement unterstützen, weil sie
– auch wenn sie sich noch so gern nach der Mahlzeit eine
anzünden – während des Essens keinen genussfeindlichen
Tabakgeruch vom Nebentisch in der Nase haben möchten. Nun wird
wohl gerade diesen Rauchern niemand unterstellen, Gesundheitsfanatiker
zu sein, weil sie Rauchverbote unterstützen. Warum aber werden
dann Nichtraucher als solche hingestellt, als Asketen und Genussfeinde?
Nichtraucher sind also keineswegs Moralapostel. Die Rauchverbote
verbieten ja nicht das Rauchen an sich, sondern regeln nur die
Örtlichkeit, wo geraucht werden darf und wo nicht –
ähnlich wie die Straßenverkehrsordnung, die regelt, welche
Fahrzeuge wo fahren dürfen und wo nicht (Umweltzonen), dass wir
uns anschnallen müssen und dass Motorradfahrer einen Helm tragen
müssen.
Zum guten Schluss bleibt nur noch eine Frage: wozu die ganze Aufregung?
Wie kommt es zu diesen grotesken Luftschlössern aus
Diskriminierung, Hexenwahn, Prohibition und ähnlichem? Vielleicht,
weil man an den Nichtrauchern gesehen hat, wie erfolgreich die
Opferrolle ist und nun versucht, auf den selben Zug aufzuspringen und
sich selbst als Opfer zu präsentieren, obwohl man als alleiniger
Verursacher der Rauchbelästigung Täter ist. Oder vielleicht
auch nur, weil das Rauchen in den letzten Jahrzehnten zu viele
verherrlichende Prädikate verloren hat: Kultur, Freiheit,
Abenteuer, Genuss, Individualität, In-sein, Emanzipation –
all das ist davongeflogen wie die Kleider einer Vogelscheuche im
Herbststurm.
Und bevor das bloße Inhalieren von Verschwelungsabgasen
übrig zu bleiben droht wie ein nacktes Lattenkreuz, gilt es, dem
Rauchen schnell wieder etwas überzuziehen. Etwas Gemeinsames, mit
dem sich vielleicht sogar wieder eine Verbindung zu den Pfeifen- und
Zigarrenfreunden herstellen lässt: ein Boot, in dem alle sitzen
und auf einem Meer aus Unfreiheit, puritanischer Genussfeindlichkeit
und Intoleranz gemeinsam die drohenden Klippen der Rauchverbotszonen
umschiffen. Aber vielleicht liegt es ja auch einfach nur in der
Mentalität der Deutschen, bei Änderungen aller Art erst
einmal dagegen zu sein, sei es die Zusammenlegung von
Bundesländern, die Umstellung auf fünfstellige Postleitzahlen
und auf den Euro oder eben die Ausweitung der Rauchverbote.
Quelle: http://www.folks-uni.org/index.php?id=118