From: Ulrike Gundacker [mailto:ulli_gundacker@yahoo.de]
Sent: Tuesday, May 06, 2008 4:41 PM
To: infopool@gruene.at
Cc: saher.khatib@meduniwien.ac.at
Subject: Rauchende Köpfe: Die Politfarce ohne Ende....?

 

An das Dialogbüro des grünen Parlamentsklubs
RE: Ihre Stellungnahme zu Rauchverboten in der Gastronomie

Sehr geehrte Damen u. Herren!

In Ihrer Antwortmail vom 2. Mai 2008 an Herrn Khatib (als Vertreter einer RAUCHFREI-Initiative, deren intensive Bemühungen für einen effektiven Nichtraucherschutz in Österreich ich voll unterstütze) schrieben Sie:

"Wir wollen den bestmöglichen Nichtrauchschutz. Sollte es baulich nicht möglich sein, in Lokalen eine strikte räumliche Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen zu schaffen, sprechen wir uns für ein generelles Rauchverbot aus. Dies muss gesetzlich geregelt werden und darf nicht wie bis jetzt dem Good Will der Gastwirte überlassen werden."

Diese Lippenbekenntnisse widersprechen den Gesetzen der Logik und der Vernunft, weil der "bestmögliche" Nichtraucherschutz, also eine effektive Prävention von Schäden durch Tabakrauch NUR durch absolut rauchfreie Räume zu gewährleisten ist und keinesfalls durch "räumliche Trennung". Die "strikte" Trennung, die Sie hier ansprechen, wie sollte denn diese funktionieren?

Da Gäste und Personal bekanntlich nicht durch Wände gehen können, müssen sie Türen benützen und jedesmal, wenn diese geöffnet werden, strömen ekelhafte und schädliche Rauchwolken vom Raucher- in den Nichtraucherbereich (wo sich die Feinstäube an den Oberflächen ablagern), ganz zu schweigen davon, dass das Personal, dessen Gesundheit am meisten gefährdet ist, von einer Aufteilung in Raucher / Nichtraucherbereiche auch nicht profitiert.

Ihre Aussage, Sie befürworteten ein generelles Rauchverbot nur dort, wo diese (absurde) "räumliche Trennung" nicht möglich sei, entlarvt sich daher als das übliche politische Kalkül: man möchte sich als Freund einer präventiven Gesundheitspolitik positionieren, aber gleichzeitig möchte man sich auch als "liberaler" Gesinnungsgenosse (die Zigarette wurde ja auch für das Image einer alternativen, intellektuellen, liberalen Szene von der Tabakindustrie instrumentalisiert), der den Rauchern Verständnis entgegenbringt und die angebliche "Diskriminierung" durch Rauchverbote zu verhindern weiß.
(Diese "Diskriminierung" ist eine Erfindung der Tabakindustrie, denn ein "Recht überall zu Rauchen" gibt es nicht und ebensowenig ist die bisherige Praxis Ausdruck von "Toleranz", sondern die Folge einer unglaublichen gesellschaftlichen Konditionierung, mit der die Tabak-PR uns 40 Jahre lang eingeredet hat, Rauchen sei so normal wie Essen und Trinken... (während die Tabakindustrie in internen Dokumenten die Zigarette als Drogenbehälter für Nikotin bezeichnet hat ("it´s a nicotine-delivery device"... "we´re in the nicotine-business..".)

Sie spielen mit dieser Haltung - genau wie unsere ungesunde "Ministerin", Frau Kdolsky - der Tabakindustrie wunderbar in die Hände, denn deren Strategie beruht darauf, Rauchen als Recht, als Ausdruck eines "Genießer"-Lifestyles darzustellen, als normales soziales Verhalten, was es eben in Wahrheit NICHT ist. Dank der Zivilprozesse in den USA sind Millionen von internen Tabakdokumenten (online) zugänglich, deshalb ist bekannt, mit welch perfider Strategie das Thema "Passivrauchen" manipuliert wurde: indem man die Debatte von der gesundheitlichen Ebene auf die soziale Ebene verlagerte, und die "friedliche Koexistenz" von Rauchern und Nichtrauchern propagiert hat, ein Progamm, das als "Toleranzkampagne" bzw. "Accomodation-Program" bekannt wurde und das
Frau Kdolsky konsequent befolgt.....

Wenn man das kollektive Brainwashing durch die Tabak-PR der letzten 40 Jahre durchschaut, wird klar, dass hier ein krankhaftes, asoziales und destruktives (von der Tabakindustrie mit großem Aufwand induziertes) Suchtverhalten als gesellschaftlich akzeptiertes Ritual verankert wurde, dessen desaströse Folgen (mehr Tote als alle anderen Drogen zusammen, als durch Unfälle, durch Morde, etc...die WHO schätzt, dass in den nächsten Jahren an die 10 Mio. Menschen jährlich daran sterben werden).  Die Tabak-PR hat gründliche Arbeit geleistet, besonders bei den Jugendlichen, deren Ängste, Wünsche und Sehnsüchte gründlich analysiert wurden um dann in die Tabak-PR einzufließen und das jeweilige Zigaretten(Marken)image danach zu konstruieren.

Österreich ist Spitzenreiter bei den rauchenden 15-jährigen Mädchen (fast 40% rauchen) in Europa und die Bezeichnung "Niko-TEENS" trifft hier wirklich zu. Auch bei der Eurobarometer-Umfrage 2006 bot sich für die Tabakprävention in Österreich ein erbärmliches Bild, als nämlich klar wurde, dass die Unwissenheit der befragten Österreicher zum Thema "Wie gefährlich ist Passivrauchen?" eklatant ist. Kein Wunder, hat sich doch die Tabakprävention in diesem Land auf Lippenbekenntnisse und unglaublich dämliche und ineffektive "Anti-Rauch-Kampagnen" beschränkt. ("Ohne Rauch geht´s auch", "Ich bRAUCHs nicht" u.a. Mist, über den PR-Fachleute nur lachen können....)
Dass die "Gesundheit Österreich GmbH" (beschränkt, indeed...) der Tabakprävention  nur eine sehr  untergeordnete Rolle zuweist, ist evident, welche "privaten Zuwendungen und sonstige Einnahmen" etwa der FGÖ oder das ÖBIG erhalten, wäre auch einmal zu untersuchen.....

Das Lachen vergeht einem aber, denn die Lebensqualität in einem völlig verrauchten Land stinkt zum Himmel, überall liegen "Tschickstummel" am Boden und seit Einführung des Tabakgesetzes (2005!) hat die "Pflanzerei" (vornehm ausgedrückt) und Heuchelei durch das BMG  unerträgliche Ausmaße erreicht, denn wir stehen täglich vor Shopping-Centern mit großen Rauchverbotsschildern auf den Eingangstüren, um dann in den Gängen an zahlreichen Cafés und Bistros vorbeizugehen, in denen
natürlich überall geraucht wird (weil alle in dem Glauben gelassen werden, die OFFENE Gastronomie sei vom Rauchverbot ausgenommen und es eh keine Sanktionen gibt....) und sich die giftigen Feinstäube dann im ganzen Haus verteilen können...  Wenn ich Frau Kdolsky noch einmal sagen höre, ihr liege die Prävention am Herzen und die Gesundheit der Jugendlichen (als "Zukunftskapital") und der "Nichtraucherschutz" habe bei ihr "oberste Priorität" (am Weltkrebstag) - dann muss ich mich wohl übergeben..... dieser  eklatante "Doublespeak" hätte selbst George Orwell erschüttert.....

Von den  "Grünen",  die sich dem "Umweltschutz" verpflichtet fühlen, hätte man erwarten können, dass sie nicht auf die Tabak-PR hereinfallen (ironisch formuliert: "rauchen und sterben lassen"...) und eine klare Position zum Gesundheitsschutz beziehen. Ein Schutzgesetz (für alle), das tausende Menschen vor  langwieriger Krankheit, Leid und Tod bewahren will, ist keine Bagatelle, kein politischer Small-Talk und schon gar kein Spielball für ökonomische Interessen. 

Das Leben ohne stinkenden und schädlichen Rauch ist schön, man kann wirklich Essen, Trinken und Plaudern mit Genuss - wie man jetzt in Bayern sehen kann. (Wir fahren jede Woche nach Bayern um rauchfrei zu genießen...), das Märchen mit den Umsatzverlusten ist längst widerlegt - siehe u.a.:   www.tobaccoscam.ucsf.edu
nur in Österreich u. Teilen Deutschlands, in denen die Tabaklobby ihre Front Groups mobilisiert hat,  wird es aufrecht erhalten.....

Message an alle Politiker: Wir haben die Nase endgültig voll! Ein schwachsinniges "Tabakgesetz" jagt das nächste; wenn Frau Kdolsky (für mich verdient sie den Titel "Gesundheitsminister" nicht) nach einer "Nachdenkpause" wieder eine solche gesetzliche Mißgeburt vorlegt, sollte man ihre Denkfähigkeit in Frage stellen..... Es ist so offensichtlich, dass sie die "Toleranzkampagne" bzw. das "Accomodation Program" von Philip Morris als "Bottom Line" übernommen hat und der Warnung der WHO (in ihrer Broschüre "Protection from Exposure to Second-Hand Tobacco Smoke")
 
"Anticipate the Opposition" - also bereiten Sie sich auf die Einwendungen der Gegenseite vor - eine surreale Bedeutung gibt, denn sie selbst - als GESUNDHEITSMINISTERIN - ist ja die größte Opponentin einer effektiven SMOKEFREE Politik, die die WHO in dem o.a. Dokument so skizziert, das selbst so inkompetente Tabakminister wie Kdolsky es schaffen könnten, ein sinnvolles, exekutierbares Gesetz zu verabschieden, sie will es aber eben nicht!!!

Österreich hat das FCTC ratifiziert und sich damit VERPFLICHTET,  einen effektiven Schutz der Bevölkerung vor dem giftigen Tabakrauch zu gewährleisten, davon kann jedoch keine Rede sein. Scheingesetze, leere Phrasen, Nachplappern der PR-Schlagwörter der Tabakindustrie....  Es reicht!

Kdolsky muss gehen und die Verbindungen der österreichischen Politik zur Tabakindustrie (und deren trojanische Pferde in der Wirtschaftslobby....) müssen endlich bloßgestellt werden... Was tragen die Grünen dazu bei? (Prof. van der Bellen- den ich sonst sehr schätze - ist ja leider auch ein Nikotinjunkie, oder?) Was ist die Demokratie noch wert, wenn in Umfragen die Mehrheit der Österreicher (u. Europäer) rauchfreie Gastronomie befürwortet, aber die Politik nicht den Mumm hat, das umzusetzen und das Rauchen dadurch zu DENORMALISIEREN, seine (künstlich erzeugte) soziale Akzeptanz wieder zu demontieren - wovor die Tabakindustrie zittert?

Traurige Grüße (angesichts der politischen Verhältnisse)

Ulrike Gundacker, Linz